Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
III Buch. Das bürgerliche Recht. o 
  
schränkter Haftung. Die ersteren dienen vorzugsweise dem Interesse des Mittel-, 
insbesondere des Handwerkerstandes. Ihre erste Regelung fanden sie in dem 
preußischen Gesetze vom 27. März 1867, das durch das Bundesgesetz von 1868 
abgelöst wurde. Charakteristisch ist das Prinzip, daß alle Genossen für die Schulden der 
Genossenschaft solidarisch einzustehen haben. Im Jahre 1889 wurde dieses Gesetz neu 
gefaßt und erhielt auch später noch einzelne Abänderungen; neu war die Zulassung von 
Genossenschaften mit einer beschränkten Haftpflicht der Genossen, zu dem Zwecke, die Bil- 
dung dieser im deutschen Wirtschaftsleben eine große Nolle spielenden Gesellschaftsform 
(Konsumvereine, Molkereien, Raiffeisensche Genossenschaften usw.) dadurch zu erleich- 
tern, daß die wohlhabenderen Genossen vor der Gefahr bewahrt werden, in unverhält- 
nismäßiger Weise zur Deckung der Genossenschaftsschulden herangezogen zu werden. — 
Trotz des Reichtums an Gesellschaftsformen schuf das Reichsgesetz vom 20. April 1892 
in den Gesellschaften mit beschränkter Haftung noch eine neue Form, in der die Kapital- 
verbindung ihre Zwecke verfolgen kann. Am nächsten ist sie mit den Alktiengesellschaften 
verwandt. ODer Unterschied liegt hauptsächlich in der Erleichterung der Begründung, 
in der freieren Verfassung und in dem Wegfall des Zwangs zur Veröffentlichung der 
Zahresbilanzen. Von manchen Seiten mit Mißtrauen empfangen, hat die neue Gesell- 
schaftsform in kurzer Zeit eine geradezu überraschende Verbreitung gefunden, so daß 
das in ihr arbeitende Vermögen nach Milliarden zählt. Aber wo viel Licht ist, ist auch 
viel Schatten. Es ist unzweifelhaft, daß diese Form leichte Gelegenheit zu unlauteren 
Schiebungen bietet und zu diesem Zwecke vielfach benutzt wird. Es ist eine schwierige 
Frage, wie diesen Mißbräuchen entgegengetreten werden kann. 
Andre wichtige Ergänzungen findet das HB. hinsichtlich des Transportrechts. 
Hierüber sind mehrere Spezialgesetze erlassen. Reben dem Berner Ubereinkommen 
vom 14. Oktober 1890 zur Regelung des internationalen Eisenbahnfrachtverkehrs und 
dem die Postbeförderung regelnden im Fahre 1899 abgeänderten Postgesetz von 1871 
ist von großer Wichtigkeit das Binnenschiffahrtsgesetz vom 15. Zuni 1895 und das Flößerei- 
gesetz vom gleichen Tage. Den Seetransport berührt die neue Seemannsordnung von 
1902 insofern, als sie die Rechtsverhältnisse der Schiffsbesatzung regelt. 
Das Börsengesetz vom Jahre 1896, abgeändert durch Gesetz vom 8. Mai 1908, 
ist in der Hauptsache verwaltungerechtlichen Inhalts, greift aber hinsichtlich der Börsen- 
geschäfte in das privatrechtliche Gebiet ein, indem es den ungesunden Börsentermin- 
handel einschränkt. Das Depotgesetz vom 5. Juli 1896 wurde durch die Schädigungen 
veranlaßt, welche Kunden von Bankiers durch Veruntreuung der diesen anvertrauten 
Wertpapiere erlitten; es sucht ihnen durch strengere Vorschriften über die Eigentums- 
frage und die Pflicht zu gesonderter Aufbewahrung entgegenzutreten. Seit langer Zeit 
vergeblich erwartet waren das im Zahre 1908 erlassene Scheckgesetz und die Postscheck- 
ordnungz sie brachten uns die für unsere Geldverhältnisse unbedingt erforderliche Er- 
sparung von Barzahlungen. Das schwierige Problem, die Grenze zwischen erlaubter 
und in den erlaubten Grenzen für gesunde wirtschaftliche Verhältnisse notwendiger freier 
Konkurrenz und illopaler Schädigung der Konkurrenten zu ziehen, suchte das Gesetz 
zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896 zu lösen. Am 
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