Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
III. Buch. Das Handelsrecht. 23 
  
gesetzlichen Vorschriften zum Schutze der Warenbezeichnungen für die moderne Verkehrs- 
entwickelung steigende Bedeutung. Die erste reichsgesetzliche Regelung war durch das 
Markenschutzgesetz vom 30. November 1874 erfolgt. Seine Aufgabe sah es in erster Linie 
darin, den Gewerbetreibenden die ausschließliche Benutzung ihrer Warenzeichen zu sichern, 
mittelbar aber wollte es auch die Konsumenten gegen Täuschung schützen. Im allgemeinen 
wurde das Gesetz seiner Aufgabe gerecht und leistete Handel und Verkehr wichtige Dienste. 
Im Laufe der Zeit stellten sich aber bei der mannigfachen Anderung der wirtschaftlichen 
Verhältnisse Mängel im Sostem wie auch in Einzelbestimmungen heraus. Um diesen 
Mängeln abzuhelfen und dem Bedürfnis der Gewerbetreibenden nach verstärktem Rechts- 
schutz Rechnung zu tragen, erfolgte eine Neuordnung der Materie durch das Gesetz vom 
12. Mai 1894, das am 1. Oktober 1894 in Kraft trat. Während nach dem früheren Gesetz 
der Schutz auf die im Firmenregister eingetragenen Gewerbetreibenden beschränkt war, 
kann jetzt jeder ein Zeichen für seinen Geschäftsbetrieb anmelden. Die Verwaltung 
wurde zentralisiert und dem Patentamt übertragen. An Stelle des reinen Anmelde- 
spstemms trat das Vorprüfungsverfahren, das sich nicht nur auf die Zulässigkeit der Ein- 
tragung des angemeldeten Zeichens an sich erstreckt, sondern dem Patentamte auch die 
Prüfung auf Kollision mit schon angemeldeten Zeichen zuweist. Zweifellos hat diese 
Zentralisierung zu einer fruchtbaren Fortentwickelung des Zeichenrechtes beigetragen, 
doch wurde durch die Vorprüfung dem Patentamte eine Verantwortung aufgebürdet, 
die es bei der stets steigenden Zahl der Anmeldungen und der Fülle des zu sichtenden 
Materiales nicht bewältigen kann. Es erscheint daher eine Anderung wünschenswert, 
die eine Entlastung des Patentamtes herbeiführt. Der Schutz des Zeichenrechtes umfaßt 
den ausschließlichen Gebrauch des Zeichens nicht nur allein auf den Waren selbst, son- 
dern auch auf Geschäftsbriefen, Empfehlungen usw. Daneben erstreckt das Gesetz seinen 
Rechtsschutz auf die Ausstattung von Waren oder Geschäftseinrichtungen und untersagt 
auf Täuschung berechnete falsche Ortsbezeichnungen. Für die Frage, ob ein Verstoß 
biergegen vorliegt, ist die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise maßgebend. Der 
Schutz eines Warenzeichens dagegen ist durch seine Eintragung bedingt. Ein nicht ein- 
getragenes Zeichen genießt keinen Schutz. Dieser Grundsatz, der dem Zeichenschutz eine 
starke Sicherheit verleiht, ist ein offenbarer Vorzug des geltenden Rechts. Indem aber 
das Gesetz den formlosen Zeichengebrauch als solchen vernachlässigt, drohen dem Be- 
sitzer eines nicht eingetragenen Zeichens nicht zu leugnende Schädigungen durch den 
strupellosen Zeichenjäger, der die Eintragung erwirkt. Im Interesse des geschäftlichen 
Anstandes erscheint es geboten, hier eine Anderung herbeizuführen. Der in Vorberei- 
tung befindliche Entwurf eines neuen Warenzeichengesetzes will den erwähnten Mängeln 
des bisherigen Gesetzes abhelfen. — Neben den Warenzeichen, die von einzelnen Personen 
zur Kennzeichnung ihrer Waren benutzt werden, sind in den letzten Zahren mehr und 
mehr die Marken von Bedeutung geworden, die von Verbänden gewählt werden, um 
für die Waren der Verbandemitglieder eine einheitliche Kennzeichnung zu ermöglichen. 
Die Berbandsmarke dient hauptsächlich dem Zwecke, eine von dem Verband gebotene 
Gewähr für Güte oder sonstige Beschaffenheit der Waren nach außen hin kundzugeben. 
Ihrer Natur nach bedarf sie in besonderem Maße internationalen Schutzes. Nach mehr- 
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