32. Das Strafrecht. III. Buch.
rechtigung und deren Segen, wenn sie Gesetz geworden sein wird, erst in der späteren
Prazis recht hervorleuchten werden, liegt gerade die einzig richtige Handhabe zur Lösung
des Problems, welches das Gesetz von 1908 auf einem unrichtigen Wege — durch über-
mäßige Einengung des Tatbestandes — zu lösen bestrebt war.
Strafgesetznovelle von 1912. In ähnlicher Weise mit grundsätzlicher Villigung
im großen und ganzen, jedoch mit Bedenken
in Einzelheiten, muß man der neuesten, sehr bedeutsamen Novelle zum Straf-
gesetzbuch gegenüberstehen, welche das Gesetz vom 19. Juni 1912 (Röl. S. 395)
gebracht hat. Auch diese Novelle ist bekanntlich formell, ebenso wie die „lex Heinze“,
aus einem von der Regierung angenommenen Initiativantrag (Wellstein und Genossen)
hervorgegangen, beruht aber materiell auf einer bis dahin nicht verabschiedeten NRegie-
rungsvorlage, aus welcher der Initiativantrag die streitig gebliebenen Punkte (Be-
leidigung und Erpressung) weggelassen hatte. Sie betrifft die verschiedensten Gegen-
stände im Strafgesetzbuch, nämlich die S# 114 (Beamtennötigung), 123 (Hausfriedens-
bruch), 136 (Siegelbruch), 137 (Arrestbruch), 223 a (sog. qualifizierte Körperverletzung),
235 (sog. Kinderraub), 239 Abs. 1 (Freiheitsberaubung), 248 a (Diebstahl und Unter-
schlagung), 264 a (Betrug), 288 Abs. 1 (Vollstreckungsvereitelung), 327 Abs. 1, 328 Abf. 1
(Verletzung von Absperrungsmaßregeln usw.), 355 (Verletzung des Telegraphen-
geheimnisses), 369 Abs. 1 (eine polizeiliche Bestimmung gegen Schlosser), und 370
Ziffer 5 (sog. Mundraub). Man hat das Strafgesetzbuch daraufhin durchgesehen,
welche seiner Paragraphen einer Anderung noch vor der allgemeinen Rerision be-
dürfen. Der leitende Gesichtspunkt ist dabei offenbar vorwiegend der gewesen, welche
Bestrebungen aus sozialen Rücksichten zu mildern sindi). Soweit diese Milderungen
die Strafen betreffen, insbesondere die häufige Einsetzung von wahlweise zugelassener
Geldstrafe, sind sie durchaus zu billigen, ebenso die Umgestaltung des 8 123 StGB.,
und der neue Abs. 2 des §& 223a, der die Strafe der qualifizierten Körperverletzung an-
droht, wenn gegen eine noch nicht 18 Zahre alte oder wegen Gebrechlichkeit oder Krank-
beit wehrlose Person, die der Fürsorge oder Obhut des Täters untersteht oder seinem
Hausstande angehört oder die der Fürsorgepflichtige der Gewalt des Täters überlassen
hat, eine Körperverletzung mittels grausamer oder boshafter Behandlung begangen wird.
Diese Neuerungen werden sich ohne Zweifel als sehr nützlich erweisen. Gegenstand der
oben erwähnten Bedenken ist jedoch die Ausgestaltung, welche die §# 248 a und 264a
und namentlich der erstgenannte erhalten haben. — Dieser bestimmt bekanntlich in den
bier erheblichen ersten beiden Absätzen:
„Wer aus Not geringwertige Gegenstände entwendet oder unterschlägt, wird mit
Geldstrafe bis zu 300 M. oder mit Gefängnis bis zu 3 Monaten bestraft.
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist
zulässig.“
Der hierin liegende schöne soziale Gedanke: Der Arme, der aus ANot sich gering-
fügiger Eigentumsvergehen schuldig macht, soll mild bestraft werden, ist berechtigt und
9y Wobei nebenheer frellich auch aus gleichen Rücksichten einige wenige Schärfungen stattgefunden haben.
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