III. Buch. Der Strafprozeß. 51
lung der gegenwärtigen Str PO. durch Kompromiß erledigt worden waren, gab der Ent-
wurf entsprechend dem damaligen Wunsche des Reichstags den Redakteuren, Verlegern,
Oruckern und technischem Hilfspersonal das Recht, ihr Zeugnis über die Person des
Verfassers oder Einsenders zu verweigern. Allerdings unter der doppelten Voraussetzung,
daß ein Redakteur wegen des Artikels bestraft werden könne und der Inhalt des Artikels
nicht den Tatbestand eines Verbrechens bilde.
Auch war im Entwurf die Bildung besonderer Abteilungen der Amtsgerichte für
Strafsachen gegen Personen unter 18 Jahren vorgesehen. Diese „Jugendgerichte“,
für deren Verhandlungen stets die Offentlichkeit ausgeschlossen werden konnte, sollten
die Zugendlichen, wenn Erziehungsmaßregeln der Bestrafung vorzuziehen waren, dem
Vormundschaftsrichter überweisen, der dann die erforderlichen Erziehungsmaßregeln
zu ergreifen, auch geeignetenfalls dem Zugendlichen einen Fürsorger zu bestellen habe.
Ein besonderer allgemein anerkannter Vorzug, den der neue Entwurf der Str PO.
dem Zusammenwirken des Reichsjustizamts mit dem Allgemeinen Deutschen Sprach-
verein verdankte, war seine formvollendete, schlichte und gute Sprache.
Reichstagskommission 1910. Der Reichstag überwies die Entwürfe in der
1. Lesung an eine Kommission von 28 Reichs-
tagsmitgliedern, in der alle Fraktionen vertreten waren. Die Kommission
wählte zum Vorsitzenden den Abgeordneten Wellstein, zu Berichterstattern für die
einzelnen Teile die Abgeordneten Dr. Heinze, Dr. Maper (Kaufbeuren), Dr. Wagner
(Sachsen) und Graef (Weimar). Dem Redaktionsausschuß gehörte außer dem Vorsitzen-
den und den 4 Berichterstattern der Abgeordnete Groeber an. Seitens der verbündeten
Regierungen beteiligten sich an den Beratungen Bundesratsbevollmächtigte der meisten
Staaten, darunter der preußische Zustizminister und der Staatssekretär des Reichs-
justizamts, sowie eine Reihe auf Grund des Art. 16 der Reichsverfassung ernannte be-
sondere Kommissare. .
Die Reichstagskommission begann die Beratungen am 3. März 1910, setzte sie auch
während der Vertagung des Reichstags fort und legte nach zwei Lesungen ihren Bericht
am 16. Zanuar 1911 dem Reichstag vor.
Anderungen durch die Kommission, die Als Anderungen, die von der
vom Bundesrat angenommen waren. Kommission beschlossen und von
den Bundesregierungen angenommen
wurden, sind hervorzuheben: 1. Dem verhafteten Beschuldigten soll ein Verteidiger
bestellt werden, wenn seine Verteidigung nach Lage des Falles durch die Haft be-
sonders erschwert erscheint. 2. Gegen die von der Staatsanwaltschaft verfügte
Einstellung eines Ermittlungsverfahrens soll der Antrag auf Entscheidung des Ober-
landesgerichts nicht nur dem Verletzten, sondern jedem zustehen, der an der Ver-
folgung ein berechtigtes Interesse hat. 3. Mittellosen Angeklagten kann bei großer
Entfernung ihres Wohnorts für die Reise zum Gericht eine Fahrkarte gewährt werden.
4. Die durch das Gesetz vom 14. Juli 1904 bewilligte Entschädigung für unschuldig
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