52 Der Strafprozeß. III. Buch.
erlittene Untersuchungshaft wird auf die Fälle ausgedehnt, in denen es nur
bis zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gekommen ist.
Folgende Anderungsvorschläge — sämt-
lich politische Fragen betreffend —
wurden von den Regierungsvertretern
abgelehnt, aber von der Kommission festgehalten: 1. Verbot, an Zeugen Fragen
zu stellen, die das Wahlgeheimnis berühren. 2. Zeugnisverweigerungsrecht der Abge-
ordneten über Personen, von denen sie als Abgeordnete Mitteilungen erhalten oder
denen sie als Abgeordnete Mitteilungen gemacht haben und über den Inhalt der Mit-
teilungen. 3. Eine Bestimmung, wonach Beschlagnahmen in den Oiensträumen gesetz-
gebender Versammlungen nur mit Genehmigung des Vorsitzenden geschehen dürfen.
4. Erstreckung der Verfassungsbestimmungen, wonach ein itglied einer gesetz-
gebenden Versammlung während der Sitzungsperiode nur mit deren Genehmigung
in Haft zu nehmen und die vor dem Zusammentritt begonnene Haft, wenn die Ver-
sammlung es verlangt, für die Dauer der Sitzungsperiode auszusetzen ist, auf die Voll-
streckung einer Freiheitsstrafe.
Anderungen, die abgelehnt, aber von
der Kommission festgehalten waren.
Besetzung der Gerichte. Was die Besetzung der Gerichte betrifft, so
hatte der Entwurf bei dem bisher stets mit
1 Amterichter und 2 Schöffen besetzten untersten Gericht die Zuziehung von Schöffen
aufgegeben, sofern über Ubertretungen, über Vergehen, die nur mit Geldstrafen bis zu
300 M. allein oder neben Haft bedroht sind, oder über Vergehen nach 8 146a GGO. zu er-
kennen war. Dies änderte die Kommission in 2. Lesung dahin, daß die Schöffen nur für
Ubertretungen nach § 361 Nr. 3—8 StrB. (Bettelei, Landstreicherei und die sonstigen
Übertretungen, bei welchen Uberweisung an die Landespolizeibehörde zulässig ist) in
Wegfall kommen sollten. Von den Bundesregierungen wurden hiergegen Bedenken
nicht erhoben. Bezüglich der Strafkammern als 1. IZnstanz nahm die Kommission die
Besetzung des Entwurfs — 2 Richter und 3 Schöffen — an.
Dagegen entstand bezüglich der Besetzung
der Berufungsgerichte zwischen Bundes-
rat und Reichstagskommission in 1. Lesung eine ernste Differenz. Die Strafkammern als
Berufungsinstanz der Amtsgerichte, für die der Entwurf in § 77 GG. 3 Nichter ohne
Schöffen vorsah, besetzte die Kommission mit 3 Richtern und 2 Schöffen. Die gleiche
Besetzung beschloß die Kommission für die Berufungssenate als 2. Instanz der Straf-
kammern an Stelle der in §99 des Entwurfs bestimmten § Nichter. Die Vertreter
der Bundesregierungen erklärten die Zuziehung von Schöffen in den Berufungsinstanzen
für unannehmbar. ODaraufphin schloß sich die Kommission in 2. Lesung für die Berufungs-
instanzen den Vorschlägen des Entwurfs an.
Auf Grund des Kommissionsberichtes trat das Plenum am 6. Februar 1911 in die
2. Lesung, und zwar zunächst der Novelle zum G. ein. In dieser wurden zu den
Besetzung der Berufungsgerichte.
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