III. Buch. Völkerrecht. 83
lungen durch den IZnternationalismus und Pazifismus beeinflußt und beherrscht waren.
Aus den Verhandlungen der beiden Konferenzen und der auf denselben festgestellten Ab-
kommen ließen sich hierfür zahlreiche Beispiele beibringen. Es soll aber hier lediglich auf
das höchst bedenkliche auf der zweiten Friedenskonferenz festgestellte Abkommen über
die Errichtung eines internationalen Prisenhofes hingewiesen werden, der über Rekurse
gegen die Entscheidungen der nationalen Prisengerichte entscheiden soll. Es ist nämlich
zweifellos, daß in der Errichtung eines solchen internationalen Prisenhofes eine viel
weitergehende Beschränkung der staatlichen Souveränität liegen würde, als in der
Anerkennung des Grundsatzes der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit, da sich ein
solcher Prisenhof als ein wirklicher, über den einzelstaatlichen Prisengerichten stehender
Gerichtshof darstellen würde, gegen dessen Zuständigkeit nicht wie im obligatorischen
Schiedsverfahren die Einrede erhoben werden kann, daß es sich im gegebenen Falle
um die Ehre und Lebensinteressen der Streitsteile handle).
Oie sich daraus ergebenden Bedenken haben auch bewirkt, daß das Abkommen über
bie Errichtung eines internationalen Prisenhofs von keinem der auf der Friedenskon-
ferenz vom Jahre 1907 vertretenen Staaten ratifiziert worden ist, nicht einmal von
England und Deutschland, die die Anregung zu dem Abkommen gegeben haben?.
Derartige Konferenzbeschlüsse, wie die erwähnten, lassen sich nur dadurch erklären,
daß die Regierungen der an der Konferenz beteiligten Staaten und deren Vertreter
unter einem so starken Einflusse der die internationale Meinung machenden Pazifisten
standen?), daß sie demselben schwer Widerstand leisten konnten, wie ja auch in den ein-
zelnen Staaten nicht selten unter dem Einflusse der sog. öffentlichen Meinung Gesetze
erlassen und Verwaltungsmaßregeln ergriffen werden, die innerlich keine Berechtigung
haben.
Wenn ein Staat sich gegen die herrschende Strömung zu stemmen sucht, so gilt
er als rückständig und wird von allen Seiten angegriffen, wie dies Deutschland geschah,
weil es sich zunächst wenigstens gegen die Anerkennung der obligatorischen Schieds-
sprechung wehrte und sich auf den Weltschiedsvertrag nicht einließ. Gilt ja doch auch
Deutschland in den Augen gar vieler als rückständig und reaktionär, weil es in der Demo-
) Vgl. darüber Zorn, Zeitschrift f. Politik, Bd. II, S. 362, und Pohl, Zur Rattifikation des Prisen-
bofabkommens, Marine--Rundschau, Mai 1912, S. 620ff.
5 Zn England ist bisher die Ratifikation am Widerstande des Oberhauses gescheitert. Vgl. über die
Haltung Englands die Schrift: „Baty, Britaln and the sea law“, 1911. — Oie übrigen Staaten warten
offenbar ab, ob England, die am meisten bei dem Abkommen interessterte Macht, dasselbe ratifiziert. Nicht
recht verständlich ist, daß die deutschen Delegierten, nachdem sie mit Recht gegen den Abschluß eines Welt-
schiedsvertrags Einspruch erhoben hatten, zu dem viel bedenklicheren Abkommen über den Prisenhof gemein-
schaftlich mit den englischen Delegierten sogar die Anregung gaben.
2) Sehr interessant ist, was Zorn, „Das völkerrechtliche Werk der beiden Friebenskonferenzen“ (Beit-
schrift f. Politik, Bd. II, S. 328) ausführt. Er weist darauf hin, daß auf der zweiten Friedenskonferenz die
Pazifisten vollständig hoffähig geworden waren und einen sehr selbstbewußten Bestandteil der Konferenz
bildeten. Auch gibt Zorn den Einfluß der Pazifisten auf die Einberufung und die Verhandlungen der beiden
Friedenskonferenzen zu, indem er sagt: „Die Pazifisten erklärten bei jedem Anlaß: alle Beratungen über
Kriegsrecht seien nur leeres Stroh; nur Abrüstung und Schiedsgerichte seien der Konferenz würdige Bera-
tungsgegenstände. Oiesem starken inoffiziellen Drucke nachgebend, hatte Rußland auf der ersten Konferenz
die Abrüstung als Beratungsgegenstand aufgenommen.“
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