2 DBöolterrecht. II. Luch.
ord#nung unter den Kaiser überhaupt nicht, unter den Papft aber jedenfalls nicht in welt-
lichen Dingen anerkannten. ODie Folge dieser Entwicklung war, daß die Idee einer chrift-
lichen Universalmonarchie verschwand und der Gedanke einer aus den sämtlichen christ-
lichen, einer höheren Gewalt nicht untergebenen, daber souveränen und sich grundsätz-
lich gleichstehenden Staaten bestehenden völkerrechtlichen Gemeinschaft entstand.
Die Uberzeugung, daß der Plan, alle zur völkerrechtlichen Gemeinschaft gehörigen
Staaten in eine Weltföderation zu vereinigen, eine auf absehbare Zeit undurchführbare
Utopie ist, hat manche Anhänger der Föderationsidee auf den Gedanken gebracht, die
Föderation zunächst wenigstens auf die europäischen Staaten zu beschränkent). Aber
auch dieser Gedanke hat bei den scharfen Gegensätzen, die unter den europäüschen
Staaten, namentlich den Großmächten, bestehen, keine Aussicht auf Verwirklichung.
Sollte es aber wirklich gelingen, eine solche Föderation zu bilden, so wäre damit
wenig gewonnen, da dann die „Vereinigten Staaten von Europa“ mit ihren besonderen
Interessen der übrigen Welt gegenüberstehen würden und die Gefahr, daß dieser Inter-
essengegensatz zu kriegerischen Konflikten führen könnte, mindestens ebenso groß wäre
wie jetzt, denn darüber sollte man sich nicht täuschen, daß einerseits zwischen Europa und
Amerika und andererseits zwischen den Völkern der weißen Nasse und den Mongolen
tiefgehende Gegensätze bestehen, die auch dadurch nicht zu beseitigen sind, daß man ver-
sucht, eine alle Weltteile umfassende Föderation zu schaffen.
Wer glaubt, daß trotz dieser Gegensätze eine Weltföderation möglich ist, dem fehlt
jeder Blick für die tatsächlichen Verhältnisse und fehlt namentlich das Verständnis für
die tieferen Gründe der Gegensätze zwischen den einzelnen Völkern, Rassen und auch
Weltteilen.
Gegensätze in der völker- Trotz der so oft betonten „Flutwelle des Inter-
rechtlichen Gemeinschaft. nationalismus“ beruhen die gegenseitigen Beziehun-
gen der verschiedenen Staaten und Völker keineswegs
auf den Gefühlen der Brüderlichkeit, sondern der nackten Selbstsucht und des Strebens
nach Herrschaft.
In Europa strebt England nach der Seeherrschaft aus wirtschaftlichen und politi-
schen Gründen, Frankreich will sich mit Deutschland nicht ausfsöhnen, weil ihm im Kriege
von 1870/71 die beanspruchte Vorherrschaft in Europa entrissen wurde, ebenso sind die
Slawen erbitterte Gegner der Germanen, weil seit Fahrhunderten zwischen diesen Völkern
um die Herrschaft in Mittel- und Osteuropa gekämpft wird.
Was sodann das Verhältnis zwischen Amerika und Europa anlangt, so waren die
Vereinigten Staaten schon vor fast einem Jahrhundert bestrebt, durch die Monroe-
doktrin den Einfluß europäischer Staaten auf Amerika möglichst auszuschalten, während
die panamerikanische Bewegung dahin zielt, sämtliche amerikanische Staaten politisch
1) S. Novikow, Die Föderation Europas, 1901. — Fried, Handbuch der Friedensbewegung, S. 7ff.
— brigens scheint setzt auch dieser Plan mehr und mehr aufgegeben zu sein und die Pazifisten sich mit einer
losen vertragsmäßigen Verbindung der Mitglieder der völkerrechtlichen Gemeinschaft begnügen zu wollen.
gl. Fried, Kurzgefaßte Geschichte der panamerikanischen Bewegung, 1912. — Hamit wäre nicht viel mehr
erreicht, als was in der völkerrechtlichen Gemeinschaft im wesentlichen schon besteht.
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