Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
IV. Buch. Das Heerwesen. 11 
  
Verlauf des japanischen Krieges und die infolgedessen ausgebrochene Revolution Ruß- 
land aufs tiefste erschüttert, anderseits aber der Mangel einer ausreichenden Seewehr 
gerade bei den Beziehungen zu England deutlich hervorgetreten war, glaubte man in 
erster Linie die Entwickelung der Flotte berücksichtigen zu sollen. Das schien 
um so mehr geboten, als der russisch-japanische Krieg deutlich gezeigt hatte, welch hohe Be- 
deutung das Zusammenwirken von Heer und Flotte unter Umständen gewinnen konnte. 
Die Folge solcher Erwägungen war zunächst die dürftige Militärvorlage von 1905 gewesen; 
sie fanden dann weiteren Ausdruck in den Flottengesetzen von 1906 und 1908, die nicht 
nur eine weitere Vermehrung der Flotte und den Ubergang zum Bau von Großkampf- 
schiffen brachten, sondern auch die Herabsetzung des Lebensalters der Linienschiffe und 
damit eine Beschleunigung des Schiffbaues. Die hierdurch bedingten Kosten waren 
sehr bedeutende, und es erscheint daher erklärlich, daß man sich bezüglich der Heeres- 
ausgaben die größtmögliche Beschränkung auferlegte, um so mehr, da durch den Ab- 
schluß der Algecirasakte und das deutsch-französische Abkommen von 1909 eine unmittel- 
bare Kriegsgefahr ausgeschlossen erschien. Auch die Annexion Bosniens und der Herze- 
gowina, die die Möglichkeit eines kriegerischen Eingreifens Rußlands nahe gerückt hatte, 
war ohne europäische Erschütterung vorübergegangen. So wurde trotz der schweren 
Gefahren, die die europäische Lage in sich schloß, erst zu Beginn des Zahres 1911 eine 
neue Militärvorlage eingebracht, die sich infolge finanzieller Bedenken in den be- 
scheidensten Grenzen hielt. 
Nach dem auf solcher Grundlage am 27. März 1911 zustande- 
gekommenen Gesetz sollte die Armee bis zum 31. März 1916 
um 9482 Mann verstärkt werden. Sie sollte zu diesem Zeitpunkt bestehen aus 634 Ba- 
taillonen, 510 Eskadrons, 592 Batterien, 48 Fußartillerie-, 29 Pionier-, 17 Verkehrs- 
und 23 Trainbataillonen. Die Zahl der Bespannungsabteilungen sollte auf 24 erhöht 
werden. Außerdem sollten bei der Infanterie 112 Maschinengewehrkompagnien er- 
richtet werden unter Anrechnung der vorhandenen 48 provisorischen und von 5 Ma- 
schinengewehrabteilungen, aus denen Kompagnien gebildet werden sollten. Zeder In- 
fanteriebrigade sollte in Zukunft 1 Maschinengewehrkompagnie zugeteilt sein. Bei der 
Feldartillerie sollten 2 Regimenter und 6 baperische Batterien neu errichtet werden 
unter Anrechnung von 20 reitenden Batterien, die in fahrende umzuwandeln waren. 
Bei 21 Trainbataillonen sollte je eine neue Kompagnie gebildet, auch sollte die Orga- 
nisation der höheren Trainbehörden neu geregelt werden. Größere Anderungen 
waren bei den Verkehrstruppen geplant. Oie Inspektion war bereits am 
1. April 1911 in eine Generalinspektion des Berkehrswesens umgewandelt und eine 
Inspektion des Militärluft- und Kraftfahrwesens errichtet worden. Am 1. Okto- 
ber wurden aus den Funkerabteilungen Funkerkompagnien gebildet; bei den Luft- 
schiffern wurden unter Auflösung der Versuchskompagnie 2 neue Bataillone zu 2 Kom- 
pagnien errichtet; die Kraftfahrabteilung wurde in 1 Kraftfahrbataillon zu 3 Kom- 
pagnien umgewandelt. Oie Eisenbahntruppen sollten künftig aus 1 Inspektion, 2 Bri- 
gaden, 3 Regimentern zu 2 Bataillonen, 1 neuen Bataillon, dem baperischen Eisenbahn- 
Heereslage 1911. 
  
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