30 Seemacht und Kriegsflotte. IV. Buch.
Oiese Uberlegenheit war allerdings nur zu haben in vergrößertem Deplazement
und für einen gegen früher erheblich gesteigerten Preis. Was aber Deutschland zu dieser
Zeit an Panzerschiffen besaß, war dem Typ nach veraltet und entsprach der Zahl nach
nicht einmal den Festsetzungen des Flottengründungsplanes von 1875. Ein Ersatzbau
für das 1878 infolge eines Zusammenstoßes mit „König Wilhelm“ gesunkenen Panzer--
schiffs „Großer Kurfürst“ war zunächst hinausgeschoben worden. Als später im Reichs-
tage ein Ersatzbau für das Panzerfahrzeug „Prinz Adalbert“ wieberholt abgelehnt
wurde, war die Forderung eines Ersatzschiffes für „Großer Kurfürst“ aussichtslos und
wurde unterlassen, heißt es in einer Denkschrift von 18853. Seitdem waren die Aussichten
für Bewilligung von Neubauten großer Schiffe infolge der oben geschilderten politischen
Verhältnisse noch ungünstiger geworden.
Die Panzerfahrzeuge der „Siegfried“-Klasse, die jetzt in Bau gegeben wurden,
waren ein Produkt des Sichfügens in eine Lage, die abzuwenden man sich zu schwach
fühlte. Topenmäßig und taktisch bedeuteten sie, je weiter ihr Bau vorschritt, einen Ver-
zicht auf den Hochseekampf. Sie banden die deutsche Flotte immer mehr an die Küste.
#bnlich so war es mit dem Teil unserer damaligen maritimen Wehrkraft, der seiner
geringen pekuniären und personellen Anforderungen wegen von den beiden Chefs der
Admiralität am weitesten gefördert worden war, mit den Torpedobooten. Auch sie
konnten die fehlenden Panzerschiffe nicht ersetzen. Aber der Mikrokosmos, den unser
in der Torpedoinspektion eine einheitliche Spitze tragendes Torpedowesen damals schon
bilbete, bedeutete doch mehr. Er bildete in seiner Zusammenfassung technischer, organi-
satorischer und taktischer Elemente, auf selbständigem Gebiet Neues schaffend, den Kern
einer Neubelebung für die ganze Flotte. Was aber auch der Entwicklung des Torpedo-
bootswesens zu ihrer vollen Entfaltung fehlte, war die Anlehnung an eine Hochseeflotte
von Panzerschiffen, deren Taktik bei uns sie sich anpassen, deren Studium beim Feinde
ihr den richtigen Weg zeigen konnte zu seiner Bekämpfung.
uUnsicherheit in der Seetaktik. Denn eine Taktik des Flottenkampfes gab
es im Jahre 1888 weder in anderen Ma-
rinen, noch bei uns. Was man als solche ansah, bestand nur in dem Aneinanderführen
der Flotten, das in frontalem Aufeinanderstoß zum Ourchbruchsgefecht oder — damit
vielleicht ohne weiteres verbunden — zur Auflösung in Einzelgefechte zwischen den
Schiffen führen mußte. Organisieren ließ sich ein solcher, auf gleichzeitigen Gebrauch
von Geschütz, Ramme und Torpedo ausgehender Massenkampf nicht. Drum sprachen
gewichtige Stimmen für sofortiges Aufgeben der Formation, sobald nach einleitendem
Ar#tilleriefeuer der Kampf begann, und seit 1874 war solch ein Verlauf der Schlacht bei
uns sogar reglementarisch festgelegt.
Allmählich begann man dann zu befürchten, daß der Führer durch ein derartiges
Umstürzen des Würfelbechers doch alles aus der Hand gebe; das wilde Hurcheinander
einer solchen Melee ließ sich auch durch taktische Friedensschulung kaum vorbereiten. So
trat in dem Denken der Seeoffiziere aller Flotten allmählich ein Umschwung ein. Man
bezweifelte, daß in solch regellosem Kampfe wirklich die richtige Ausnutzung des hoch-
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