Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
8 Die Kolonien. V. Buch. 
dessen wurden die richterlichen Funktionen erster Instanz zunächst vielfach juristisch vor- 
gebilbeten Bezirksamtmännern mitübertragen. 
Für die eingeborene Gerichtsbarkeit wurden Mitte der neunziger Jahre feste Nor- 
men geschaffen. Danach wurde sie von den Bezirksverwaltungsbeamten unter Zu- 
ziehung von Eingeborenen als Beisitzern ausgeübt, insoweit sie nicht ganz den Stammes- 
bäuptlingen überlassen blieb. 
issionen. Eine wesentliche Unterstützung in ihrem Bestreben, die Eingeborenen zu 
— heben und der Kultur zu gewinnen, fanden die Gouvernements bei den 
Missionen beider Bekenntnisse. Diese haben zum Teil das Verdienft, durch ihre Tätig- 
keit der deutschen Besitzergreifung günstig vorgearbeitet oder aber die Befriedung unserer 
Kolonien erleichtert zu haben. Alndererseits war allerdings die Aufrichtung und Ausdehnung 
der deutschen Herrschaft sowohl für die Intensität der Missionsherrschaft, wie fürdie Aus- 
dehnung ihres Einflusses von großem Vorteil. So konnten die schon im Lande tätigen 
Gesellschaften die Zahl der Stationen erheblich vermehren und das Evangelium in noch 
gänzlich unberührte heidnische Stämme hineintragen, während andere ihre segensreiche 
Tätigkeit erst infolge der deutschen Besitzergreifung begannen. Neben der Heidenbekeh- 
rung lag auch der Schulunterricht der eingeborenen Kinder in der ersten Zeit fast aus- 
schließlich in den Händen der Missionen, die dafür erhebliche Opfer gebracht haben. 
Einen wenig erfreulichen Verlauf nahm in 
dieser Periode die wirtschaftliche Ent- 
wickelung der Schutzgebiete. Ange- 
sichts der Unmöglichkeit, von den gesetzgebenden Körperschaften die für eine plan- 
mäßige Erschließung derselben erforderlichen Mittel zu erhalten, und bei dem Mangel 
an eigener praktischer Erfahrung machte die als Abteilung des Auswärtigen Amtes 
unselbständige und in ihrer Bewegungsfreiheit gehemmte Kolonialverwaltung den 
Versuch, die wirtschaftliche Entwicklung in die Hände einer Reihe mit weit- 
gehendsten Rechten ausgestatteter Privatgesellschaften zu legen. Dieser Entschluß 
war von um so größerer Tragweite, als nunmehr zu den schon vorhandenen, ihre 
Rechte aus alten Verträgen herleitenden, über sehr ausgedehnte Areale verfügenden 
Gesellschaften, wie der Neuguinea-Kompagnie, der Deutsch-Ostafrikanischen-Gesellschaft 
und der Kolonialgesellschaft für Südwestafrika, neue monopolartige große Land- und 
Bergwerksgesellschaften hinzutraten. Auch wenn man die damalige schwierige Lage 
der Kolonialverwaltung durchaus würdigt, so mußte doch Art und Umfang der erteilten 
Konzessionen und die unzureichende Abwägung von Rechten und Leistungen große Be- 
denken erregen. Dem Kolonialrat ist der Vorwurf nicht erspart geblieben, infolge zu 
starker Interessenvertretung die Kolonialverwaltung in dieser wichtigen Frage nicht 
gut beraten zu haben. Daß bei der Vergebung der Konzessionen tatsächlich schwere 
Fehler gemacht worden sind, geht am deutlichsten daraus hervor, daß man sich später 
veranlaßt sah, dieselben erheblich einzuschränken oder ganz zurückzunehmen, in einzelnen 
Fällen auch Gesellschaften erteilte Rechte durch weitere unverhältnismäßig große und 
Wirtschaftliche Versuche. Land- 
und Minen-Konzessionen. 
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