Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
V. Buch. Die Kolonien. 19 
  
afrikanischen Schutzgebietes neues Leben regte, dauerte im Süden der Kampf unserer 
mit unvergeßlicher Tapferkeit und Ausdauer gegen einen meist unsichtbaren Feind fech- 
tenden Schutztruppe fort. So betrübend dieser ganze Aufstand mit seinen bedeutenden 
Opfern an weißen und eingeborenen Leben ist: er hatte immerhin das Gute, daß er das 
deutsche Volk in seiner kolonialen Gleichgültigkeit gewaltig aufrüttelte. Durch die Tau- 
sende von Soldaten, die aus den verschiedenen Schichten der Bevölkerung übers Meer 
zogen, wurde ganz von selbst das koloniale Interesse neu geweckt und in Kreise getragen, 
denen es bisher ferngelegen hatte. Trotz alledem wollte im allgemeinen der Pessi- 
mismus und die geradezu sprichwörtlich gewordene Kolonialmüdigkeit nicht weichen, 
und das Kapital hielt sich mehr als je von kolonialen Unternehmungen fern. 
III. 
Kolonial-politischer und wirtschaftlicher Aufschwung. 
Hernburg Kolonialdirektor. Einen solchen BVoden fand der Direktor der 
Darmstädter Bank, Bernhard Dernburg, vor, 
als er auf Vorschlag des Fürsten Bülow an die Spitze der Kolonialabteilung des 
Auswärtigen Amtes berufen wurde und sich mit großer Energie in die ihm neue 
Verwaltung einarbeitete, die er praktischer zu gestalten und mit mehr kaufmänni- 
schem Geist zu durchdringen strebte. Bei seinem Amtsantritt standen im Reichstage 
die kolonialen Angelegenheiten im Vordergrunde der Beratungen, einmal wegen Be- 
schwerden über Beamte und Offiziere, die nach der Ansicht einer größeren Anzahl Ab- 
geordneter nicht schnell und gründlich genug untersucht und entschieden worden waren; 
sodann wegen der bedeutenden Mittel, die noch immer für die Schutztruppe in Süd- 
westafrika an- und nachgefordert werden mußten und welche durch ihre erst jetzt im 
ganzen Umfange erkennbare Höhe die Reichsboten beunruhigten. Bei der Verhandlung 
über älteren tüchtigen Kolonialbeamten in Togo zur Last gelegte Verfehlungen gegen- 
üÜber Eingeborenen kam es zu einem scharfen Zusammenstoß zwischen dem Kolonial- 
direktor und dem Mitgliede einer großen Partei. Als diese dann bald darauf, gefolgt 
von der Sozialdemokratie, die für die Truppe verlangten Kredite verweigerte, indem 
sie die Truppenzahl erheblich herabgesetzt zu sehen wünschte, während außer den konser- 
vativen Parteien und den Nationalliberalen, die von jeher die Notwendigkeit eines star- 
ken militärischen Schutzes anerkannt hatten und für denselben eingetreten waren, jetzt 
auch die Linksliberalen für die Regierungsforderung stimmten, kam es zu der denk- 
Reichstagsauflösung. würdigen Neichstagsauflösung vom 13. Dezember 1006. 
In der Zeit zwischen Auflösung und Neuwahl bot sich 
für den Chef der Kolonialverwaltung Gelegenheit, durch mehrere großzügige Reden 
und Vorträge sein Programm für die weitere koloniale Entwicklung vor aller 
Offentlichkeit klarzulegen. In den vor den Trägern der Wissenschaft, der Industrie 
und des Handels gehaltenen Vorträgen über die Zielpunkte des deutschen koloni- 
alen Wesens rief er die Nation auf, „sich zu entscheiden, ob sie nach einem wohl- 
durchdachten Plan den Boden und seine Schätze, die Flora, die Faung und vor allem 
  
  
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