Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
V. Buch. Die Kolonien. 21 
  
allzu häufigen Wechsel mehr begegnet worden, ein Faktor, der für die Stetigkeit der 
Entwickelung unserer Kolonien nicht hoch genug anzuschlagen ist. Gleichzeitig wurde 
der kolonialwissenschaftlichen Borbildung der Beamten erhöhte Fürsorge zugewandt. 
Hatten schon bisher einzelne Beamte und Offiziere das Seminar für orientalische Spra- 
chen in Berlin besucht und dort kolonial wichtigen, namentlich sprachlichen Studien 
obgelegen, so wurde jetzt die theoretische Ausbildung sehr erweitert, insbesondere nach- 
dem der Staat Hamburg ein eigenes Kolonialinstitut mit einem umfassenden Lehrplan 
errichtet hatte, zu dessen Kursen übrigens außer Beamten und Offizieren, denen die Teil- 
nahme von den Kolonial-Zentralbehörden dringend ans Herz gelegt und durch pekuniäre 
Unterstützungen erleichtert wird, auch andere Kolonialinteressenten: Kaufleute, In- 
dustrielle, Landwirte und Lehrer zugelassen werden. 
Für die Finanzgebarung wurde als einstweilige Norm aufgestellt, daß vom Reiche 
in Zukunft grundsätzlich nur noch die aus der ersten Erwerbung, der Regulierung der 
Grenzen und dem militärischen Schutze erwachsenden Kosten zu tragen seien, während 
für alle anderen Ausgaben die Schutzgebiete durch Hebung der eigenen Einnahmen 
selbst aufzukommen hätten. Um die fin anzielle Selbständigkeit derselben zu sichern 
und andererseits ein Zurückfallen in den Reichszuschuß zu verhüten, wurde ein Aus- 
gleichsfonds geschaffen, in den der etwaige Uberschuß der Einnahmen fließen und aus 
dem etwaige Unterbilanzen gedeckt werden sollten. Außerdem wurde eine strenge Schei- 
dung zwischen werbenden und nichtwerbenden Ausgaben gemacht. In Zukunft sollten 
die Kosten für werbende Anlagen auf neu ins Leben gerufene, vom Reiche garantierte 
Kolonialanleihen genommen werden, die aus den bereiten Mitteln des betreffenden 
Schutzgebietes zu verzinsen und zu amortisieren sind. 
Bahnbau-Programm. Unter den werbenden Anlagen nehmen die Eisen- 
bahnen die erste Stelle ein, da ihr Bau das beste und 
sicherste Mittel zur schnelleren Hebung der wirtschaftlichen Entwickelung der Kolonien 
ist. Nach dem von den gesetzgebenden Körperschaften gebilligten Vorschlage der 
Kolonialverwaltung sollte an den Bau von Eisenbahnen nur herangegangen werden, 
wenn nach der Finanzlage des Schutzgebietes die Verzinsung und Amortisation der 
Anleihe gesichert war und die Entwickelungsmöglichkeiten der von ihnen durch- 
schnittenen oder in ihren Aktionsradius fallenden Gebiete in absehbarer Zeit eine 
Rentabilität erwarten ließen. Aur unter strikter Innehaltung dieser Bedingungen 
zeigte sich der Reichstag damals bereit, Mittel zu größeren Bahnbauten zu bewilligen, 
was allerdings den Nachteil hatte, daß die Verwaltung vorläufig zu hohen Tarifen 
greisen mußte, um auf der einen Seite den Bahnbau fördern, auf der anderen 
ihre den gesetzgebenden Körperschaften gegenüber übernommenen Verpflichtungen er- 
füllen zu können. So wurde zunächst für Ostafrika, Kamerun und Togo und 2 Fahre 
später auch für Südwestafrika ein umfassendes Bahnbauprogramm aufgestellt und von 
den parlamentarischen Körperschaften gutgeheißen. In Südwestafrika ist es vorläufig 
zum Abschluß gelangt. In Togo, wo die Palimebahn damals bereits beendet war, 
ist die Süd-Nordbahn erst bis Atakpame fertiggestellt. In Ostafrika wird binnen kurzem 
  
« 433
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.