V. Buch. Die Kolonien. 23
Während in den übrigen Schutzgebieten die ärztliche Fürsorge fast ausschließlich in den
Händen von Truppen- und Regierungsärzten liegt, haben sich in Südwestafrika — meist
veranlaßt und unterstützt durch Bezirks- und Gemeindeverbände — eine Anzahl Privat-
ärzte niedergelassen. Das rote Kreuz für die Kolonien hat seine segensreiche Tätigkeit
immer mehr ausgedehnt und den Stab der zur Krankenpflege und zu sonstigen sani-
tären Hilfeleistungen entsandten Schwestern erheblich vermehrt.
Verwaltungs- Dezentralisation. Während dieser Periode vollzogen sich
aber auch in der Verwaltung der Schutz-
Selbstverwaltung in Südwestafrika. gebiete wesentliche Anderungen. Eine
größere Dezentralisation wurde dadurch angestrebt, daß die bisher beim Reichs-
kolonialamt geführte Finanzverwaltung der Schutzgebiete in diese verlegt und mehreren
Gouvernements die neuerdings auch auf Ostafrika ausgedehnte Ermächtigung zur NReu-
anschaffung, Verlegung und Aufhebung von Verwaltungsbehörden erteilt wurde. Die
Trennung von Verwaltung und Gericht und die Umwandlung von Militärbezirken in Be-
zirksämter mit Zivilbeamten wurde weiter durchgeführt. Die Unabhängigkeit der Recht-
sprechung wurde dadurch erhöht, daß mehr und mehr das Amt des Oberrichters von dem
des Gouverneurs oder seines Stellvertreters getrennt wurde. Am einschneidendsten war
aber die Umgestaltung auf dem Gebiete der Selbstverwaltung; dieselbe nahm in den
beiden größten Schutzgebieten merkwürdigerweise eine entgegengesetzte Richtung. In Ost-
afrika wurden aus vorwiegend fiskalischen Gründen im März des Jahres 1909 die durch
Reichskanzlerverordnung von 1901 geschaffenen kommunalen Verbände bis auf die Ort-
schaften Daressalam und Tanga aufgehoben und ihr Vermögen auf den in die Rechte
und Pflichten der Verbände eintretenden Landesfiskus übertragen, während im Januar
desselben Jahres Südwestafrika mit einer weitgehenden Selbstverwaltung bedacht wurde.
Die größeren Ortschaften wurden dort zu Gemeindeverbänden zusammengefaßt, die Ver-
waltung einem von den Gemeindeangehörigen aus ihrer Mitte gewählten, über alle
wichtigeren Angelegenheiten beschließenden Gemeinderat übertragen, an dessen Spitze
ein Gemeindevorsteher oder Bürgermeister steht, der meist ehrenamtlich tätig ist und für
die Bezirksverbände ein gleichfalls gewählter Bezirksrat vorgesehen, in dem der staat-
liche Bezirksleiter den Vorsitz führt. Dem Gouverneur wurde zur Unterstützung bei
Wahrnehmung der Znteressen des gesamten Schutzgebietes ein aus zur Hälfte ge-
wählten, zur Hälfte von ihm ernannten Mitgliedern bestehender Landesrat als beraten-
des Organ zur Seite gestellt. Der Wirkungskreis der Gemeinde erstreckt sich auf fast
alle wichtigeren Gebiete des öffentlichen Lebens, darunter auch auf die für diese Be-
siedelungskolonie besonders wichtige Fürsorge für das Schulwesen.
Schulwesen und kirchliche Versorgung. Dieses hatte sich seit Beendigung des
Aufstandes schnell und kräftig ent-
wickelt. Die mit Pensionaten verbundenen, vom Reiche mit erheblichen Mitteln unter-
stützten Schulen weißer Kinder wurden teilweise von den Gemeinden übernommen. Von
den 17 Regierungs- und Gemeindeschulen ist die überwiegende Mehrzahl einklassig, einzelne
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