Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
  
30 Oie Kolonien. V. Buch. 
Immer mehr hatte sich mit den Jahren die Wichtigkeit der 
schwierigen Frage der Kreditgewährung in den Schutz- 
gebieten in den Vordergrund gedrängt. Der rein kaufmännische Kredit wurde 
zwar in den afrikanischen Schutzgebieten im Gegensatz zu der Südsee durch Handels- 
banken im allgemeinen befriedigt. Indes die Kolonien mit einer stärkeren weißen 
Bevölkerung, wie Ost- und vor allem Südwestafrika, verlangten die Schaffung 
weiterer Kreditquellen. Zn letztererm Schutzgebiet versuchte man diesem Bedürfnis 
durch die Organisation genossenschaftlicher Darlehnskassen abzuhelfen. Wiewohl sich 
die Genossenschaftsbank in Windhuk durchaus befriedigend entwickelte, konnte sie 
ihrem ganzen Wesen nach doch nur kurzfristigen Betriebskredit gewähren. Dieser 
genügte aber nicht für die große Mehrzahl der Unternehmungen, die, mit mittle- 
ren und kleineren Kapitalien ins Leben gerufen, sich gut entwickelt hatten und erheb- 
liche Werte repräsentierten, aber nach Lage der eigenartigen kolonialen Verhältnisse 
noch keine sichere Rente abwarfen. Hier konnte nur die Schaffung langfristigen Besitz- 
und Meliorationskredits Abhilfe bringen. Die hierauf gerichteten Bestrebungen fanden 
in der Deutschen Kolonialgesellschaft eine warme Befürworterin. #uch die Kolonial- 
verwaltung war hiervon so überzeugt, daß mit dem jetzigen Gouverneur für Südwest- 
afrika unmittelbar nach seiner Ernennung diese Frage aufs eingehendste erörtert und 
derselbe beauftragt wurde, mit größter Beschleunigung sichere, zahlenmäßige Unterlagen 
über Wert und Verschuldung der Farmen zu beschaffen, die dann alsbald nach ihrem 
Eingang der inzwischen als Beraterin der Kolonialverwaltung für Gebiete, auf denen 
eine Mitwirkung von Sachverständigen bisher fehlte, ins Leben gerufenen und neuer- 
dings durch Ernennung weiterer MWitglieder verstärkten wirtschaftlichen Kommission vor- 
gelegt wurden. Sie beantwortete die wichtige Vorfrage, ob für diese Zwecke privates 
Kapital in genügender Höhe und geeigneter Form erhältlich sei, unbedingt verneinend, 
stimmte vielmehr der Kolonialverwaltung zu, daß die annehmbarste Lösung die Schaffung 
einer öffentlich-rechtlichen, mit Staatsmitteln dotierten, aber sich selbst erhaltenden Insti- 
tution, etwa nach Art der Transvaalbank, sein dürfte. Nachdem die Selbstverwaltungs- 
körper des Schutzgebietes ausgiebig gutachtlich gehört worden sind, ist dann auf ähnlicher, 
wenn auch in mancher Beziehung veränderter und mehr den deutschen Berhältnissen 
angepaßter Basis erfreulicherweise eine Landwirtschaftsbank mit einem staatlichen, durch 
Schutzgebietsanleihe aufzubringenden Kapital von 10 Mill. M. ins Leben gerufen wor- 
den, indem gleichzeitig die Möglichkeit der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den 
Inhaber seitens der Bank bis zum zehnfachen Betrage des Grundkapitals vorgesehen 
ist. Es scheint fast, als ob hier eine Norm gefunden sei, die mit etwaigen den lokalen 
Verhältnissen angepaßten Anderungen künftig auch für andere Kolonien — zunächst vor- 
aussichtlich für Deutsch-Ostafrika — in Frage kommen dürfte. Früher noch als für den 
ländlichen, ist für den städtischen Bodenkredit, und zwar durch die Gründung eines rein 
privaten Kreditinstituts, gesorgt worden. Es ist zu hoffen und zu erwarten, daß diese 
ihrer Wichtigkeit und Tragweite entsprechend nach langen sehr eingehenden Beratungen 
unter Zuziehung der sachverständigen preußischen Ressorts zustande gekommenen Kredit- 
anstalten bei richtiger Leitung von großem Segen für die gesunde Weiterentwickelung 
Kreditwesen. 
  
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