Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

4120 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen 
und er ist uns das um so mehr, je mehr er von uns tief und 
ernst erfasst wird. Der Unierschied liegt vielmehr darin, dass’ 
die Fragen des praktischen Lebens zum Handeln auffordern. 
Sie entstehen aus gegebenen Verhältnissen, kehren zu ihnen zu- 
rück, und wollen eben desshalb, dass der Mensch seine arbei- 
tende That nach ihnen einrichte. Sie erscheinen darum im ersten 
Augenblick als ganz gleichgültig gegen alle Theorie; die: gege- 
bene Thatsache ist souverain; was ihr nicht gehört, erscheint 
als werthlos; die Ursachen und Wirkungen sind die Logik der 
vorliegenden Dinge, die Berechnung der Wahrscheinlichkeit ist 
die Klugheit, die sie fordern, und ihr Zweck ist nur zu oft ihre 
Moral. Sie erscheinen desshalb auch weit dankbarer gegen den 
Menschen, der sich ihnen hingiebt; sie halten manchen Zweifel, 
manche Unruhe von ihm fern, und der praktische Erfolg lohnt in 
ganz anderer Weise, als der iheoretische Abschluss einer wis- 
senschaftlichen Frage. Und somit ergibt sich denn, dass sie immer 
zuerst durch ihre thatsächlichen Verhältnisse die Lebensauffassung 
des Menschen bestimmen, und dass sie eben die Fragen und Auf- 
gaben wieder da aufnehmen, wo die reine Theorie sie abgeschlossen 
hat. Ihnen, diesen gegebenen Verhältnissen, Zuständen und Gegen- 
sätzen gehört daher das ganze Gebiet der wirklichen Fragen und 
Aufgaben für alle diejenigen, welche geistig mündig geworden sind. 
Aber .allerdings ist damit die wissenschaflliche Bewegung 
nicht abgeschlossen. Ein drittes Moment, oder ein dritter Ab- 
schnitt derselben tritt hinzu, und jetzt erst erfüllt sich das, 
woraus die eigentliche Wissenschaft des Staats entsteht. Jene 
ganz praktischen Verhältnisse treffen nämlich bei den begabteren 
Naturen, die zu den Trägern der geistigen Entwickelung auser- 
sehen sind, natürlich alsbald auf die, durch die geistige Schule 
gewonnenen Grundbegriffe. Jetzt entsteht eine neue und höchst 
eigenthümliche Arbeit in diesen Menschen, eine Arbeit deren Spuren 
wir oft gar nicht, oft nur sehr leise angedeutet in ihren Werken 
wiederfinden, die aber dennoch zu den wichtigsten Processen 
gehört, auf welchen das geistige Leben aller Zeiten beruht hat. 
Die ursprüngliche Theorie hat ihre Sätze und Wahrheiten gleich- 
sam fest abgeschlossen, mehr oder weniger organisch ausgebildet 
in ihrem Geiste niedergelegt. Das wirkliche Leben tritt mit
	        
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