vor Aristoteles und Platon. 4143
und Würde, sondern, wie denn das in solchen Fällen nicht aus-
bleibt, es erzeugte alsbald das Schlimmere.. Denn an dieser
Möglichkeit entstand die eigentliche Demagogie, die schon in
Athen ihren Charakter, ihren Namen und ihren Fluch hinterlassen
hat. Es ward zu einem Erwerbszweig, wohlhabende Bürger
zu verklagen, sie in Geldbusse zu bringen, und das Volk, dieser
öruog, der weder arbeiten konnte noch mochte, hielt seine
Demagogen hoch, um so höher, je mehr es ihnen Gelegenheit
gab, hie und da eine Busse von ein paar Talenten zu erheben.
So ist denn fast kein einziger angesehener Mann von Miltiades
bis auf Demosthenes ohne eine Busse davon gekommen, und der
innere Verfall des herrlichen Staats musste mit diesem Bewusst-
sein jener tüchtigsten Männer beginnen, dass sie durchaus keine
Mittel hatten, sich dem Ruin ihres Vermögens zu entziehen, wenn
einmal das „Volk* auf sie aufmerksam geworden. Denn am
Ende, wen die Busse verschonle, den ruinirte die Leiturgie; und
daher gab es mitten in dieser Hauptstadt der Bildung und des
Welthandels zuletzt weder grosse Grundbesilzer noch auch grosse
Capitalisten mehr. Der Mangel der freien Arbeit hat auch Athen
verdorben.
Natürlich machte nun dieser ganze Entwicklungsgang der
Dinge einen um so tieferen sittllichen Eindruck, je weniger man,
da das einzige, was ihn zu bekämpfen im Stande war, die freie
Arbeit, als unehrenwerth dastand, sich demselben entziehen konnte.
Und wenn daher auch Thucydides in der berühmten Stelle, wo
er von dem Untergange der alten sitilichen Ordnung in Athen
ein so ernstes Bild entwirft, ein Bild das gewiss für ganz Griechen-
land Geltung hat, ein wenig zu dunkle Farben aufträgt, so wird
er doch in Ganzen Recht behalten. Wir wollen aus dieser Stelle
nur den Punkt herausheben, der für uns entscheidend ist. Das
ist der Satz, dass mit dem peloponnesischen Kriege der Mittel-
stand untergegangen ist. An seine Stelle ist jetzt allenthalben
der Gegensatz zwischen dem dijuog und den oAiyos getreten,
und Jene, die vewrepiLew rı Boviöuevor, haben freies Feld und
willige Gemüther gefunden !). Es ist allerdings wohl wahr-
1) Thuc. II, 82.