Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

144 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen 
scheinlich, dass dies in seinem ganzen Umfange erst gegen das 
Ende des peloponnesischen Krieges staltgefunden. Allein die 
Begebenheiten in Corcyra scheinen dennoch schon der Wende- 
punkt des öffentlichen Bewusstseins gewesen zu sein, und vieles 
wäre vielleicht anders geworden, wenn hier die Dinge einen 
anderen Lauf genommen hätten. In Corcyra nämlich blühten aller- 
dings Handel und Schifffahrt, allein dicht umgeben von Barbaren 
muss die niedere Klasse, derjenigen entsprechend, die den Piraeus 
in Athen bewohnte, eine höchst rohe und wilde Masse gewesen 
sein. Auf diese Masse gestützt hatte ein gewisser Pithias sich 
der Gewalt bemächtigt, und wollte nun nach alheniensischem 
Muster einige Wohlhabende durch übermässig harte Bussen, walr- 
scheinlich gegen alles Recht, gewiss gegen alle Billigkeit — um 
ihr Vermögen bringen zu Gunsten des Volkes. Es entsteht Streit, 
aus dem Streite Gewalt, man greift zu den Waffen, den Vorwand 
giebt die Frage, ob man zu Athen oder zu Korinth halten soll; 
die Reichen slürzen mit dem Schwerte bewaffnet auf den Pithias 
und tödten ihn. Indess erhebt sich die ganze Masse, von den 
Atheniensern aufgereizt; ein wülhender Kampf entsteht, beide 
Parteien rufen die Sklaven auf; diese schlagen sich zum Volke, 
die Vornehmen werden bewältigt, und ein furchtbares Morden 
beginnt, bald nicht mehr blos ein reiner Sieg der einen Gesell- 
schaftsklasse, sondern viele der Reichen wurden gemordet wegen 
persönlicher Feindschaft, andere um ihres Vermögens willen; 
kurz man sieht hier zum erstenmale alle Elemente eines Pöbel- 
aufruhrs in wilder Gährung. Diese Revolution in Corcyra ist so 
viel wir sehen, die erste Erscheinung der Art in Griechenland; 
ganz offenbar halten die inneren Umwälzungen z. B. in Athen 
gegen die Pisistratiden und selbst der Cylonische Versuch einen 
durchaus anderen Charakter; selbst die Aufstände der Heloten, 
und mehr noch die der Messenier gegen die Spartaner sind 
etwas anderes, denn sie sind Kämpfe um die Freiheit und eine 
Vertheidigung gegen das Unerträgliche, nicht Kämpfe der Ge- 
sellschaftsklassen gegen einander. Die schlimmsten Folgen aber 
wird es unzweifelhaft gehabt haben, dass man in Corcyra die 
Sklaven aufgerufen, um an diesem gesellschaftlichen Kampfe 
Theil zu nehmen. Die Zahl der Sklaven in Griechenland war
	        
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