4146 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen
und von andern Städten sich zu kaufen und zu verkaufen nicht
schämte, wenn eine solche Stadt bezwungen war. Doch mag
dies hier nur beiläufig bemerkt werden.
In jedem Falle ist es klar, dass der Sklavenstand in Griechen-
land, aus Freien zum grossen Theil gebildet und in grosser Zahl
vorhanden, den Zuständen aller Orte die höchste Gefahr bringen
musste, wenn er daran gewöhnt ward, bei jeder Gelegenheit
seinerseits zu den Waffen zu greifen. Und am schlimmsten musste
dies natürlich dann werden, wenn die Parteien der Bürger so
weit kamen, wie dies in Corcyra geschehen, bei ihren
inneren Kämpfen die Sklaven zur Theilnahme aufzurufen. Das
musste nothwendig in den Demokratieen jeden besonnenen Mann über
die Herrschaft des druog bedenklich machen, und dieser Be-
denklichkeit war, wie wir gesehen, durch andere Dinge schon
trefflich vorgearbeitet. Das Ereigniss von Corcyra scheint daher
einen tiefen Eindruck in ganz Griechenland gemacht zu haben.
Nach dem Zeugniss des Thucydides wenigstens scheiden sich von
da an in allen griechischen Staaten die beiden Classen der Ver-
mögenden und der Nichtvermögenden, die Gebildeten und Nicht-
gebildeten, kurz die höhere und niedere Classe. Und zwar nicht
mehr wie früher als eine einfache und naturgemässe Erscheinung
im Gesellschaftsleben, sondern in scharfem Gegensatz, als feind-
liche Elemente, mit enigegengesetzten Forderungen, Principien
und Strebungen !). Es ist der innere Wendepunkt der griechischen
Geschichte, der sich äusserlich nun auch sogleich dadurch zeigt,
dass allenthalben die höhere Classe sich den Spartanern, die
niedere sich den Atheniensern zuwandie. Ein jedes Volk muss
eine solche Epoche durchgehen. Das Verschmelzen der kleineren
Localstaaten zu grösseren Staatenkörpern hat nothwendig eben
die Voraussetzung, dass die gleichartigen gesellschaftlichen Classen
in allen diesen kleinen Staaten sich als ein Ganzes fühlen und
gemeinschaftlich handeln lernen. Es ist diese Epoche daher eine
heilsame und naturgemässe, wenn sie zu dieser grösseren Staaten-
1) Thuc. III, 82. ’Enei Voregov ye zar näv, üs eineiv, to Eiln-
yırov &xıyn In, Ödıapogwv oVowv Exaotayou, Tois Te Tor Önumwv TIEO0TATaLS Tous
AIıpalovs fnaysosaı, za Toig OAiyoıs Tovs Aaxedaruuoviovs. — Unmittelbar vorher
geht die Beschreibung der Revolution in Corcyra.