vor Aristoteles und Platon. 147
bildung wirklich hinführt, wie dies z. B. in den Staaten der
germanischen Epoche geschehen ist. Allein gelingt diese Staaten-
bildung nicht, so ist es die Folge, dass alsbald durch den gesell-
schaftlichen Gegensatz auch die kleineren Staaten untergehen.
Das war der Fall eben in Griechenland. Und seit dem obigen
Zeitabschnitt ist der Gegensatz von Athen und Sparta nur noch
Vorwand und Ausdruck; der wahre Gegensatz ist der der höhern
und niedern gesellschafllichen Classe in ganz Griechenland, und
wie die Spartaner in Alhen selbst unter der höheren Classe der
Athenienser mächtige und thätige Bundesgenossen und Freunde
hatten, so konnten die Athenienser in Sparla auf die Messenier
und Heloten als neue kampfbereite Freunde zählen. — Das waren
im Allgemeinen die Elemente derjenigen Verhältnisse, aus
denen nunmehr die Theorie, oder die Publicistik Athens, von der
wir zu reden haben, hervorging.
Fasst man nun das Gesagie in Einen Ueberblick zusammen,
so ist es sogleich klar, dass unter solchen Verhältnissen, und
namentlich in einem Volke, wo die einigermassen Wohlhabenden
sofort damit begannen, sich mit den Staatsangelegenheiten zu
beschäftigen, gewiss nicht erst zu Aristoteles Zeit sich bestimmte
Ansichten oder Theorieen gebildet haben werden. Es lag gar zu
nahe, sich die auf jene Verhältnisse bezüglichen Fragen vor-
zulegen. Nur dass die Untersuchungen darüber wenigstens im
Anfange einen andern Charakter hatten, als dasjenige was man
jetzt wohl die Rechtsphilosophie nennt.
Offenbar liegt die Aufgabe unserer heutigen Rechtsphilosophie
im Gebiete des reinen Wissens, und auch der kühnste Philosoph
wird, wenn er überall auf eine praktische Wirkung seiner Ideen
hofft, dieselbe nur auf dem weiten Wege von der inneren Ueber-
zeugung des Einzelnen bis zur äusseren Belhätigung hoffen. In
Griechenland war das anders. Hier war das Volk selbst Herrscher,
und gab sich selbst seine Gesetze. Viele Beispiele lagen vor,
dass man entweder bei der Gründung der neuen Staaten oder
doch nach den Umwälzungen derselben einzelnen ausgezeichneten
Männern den Auftrag gegeben, die Grundgesetze der Stadt zu
entwerfen. Ein Staatsphilosoph stand daher im Allgemeinen
der Praxis viel näher, und eben desshalb halte denn auch die
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