Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

vor Aristoteles und Platon. 147 
bildung wirklich hinführt, wie dies z. B. in den Staaten der 
germanischen Epoche geschehen ist. Allein gelingt diese Staaten- 
bildung nicht, so ist es die Folge, dass alsbald durch den gesell- 
schaftlichen Gegensatz auch die kleineren Staaten untergehen. 
Das war der Fall eben in Griechenland. Und seit dem obigen 
Zeitabschnitt ist der Gegensatz von Athen und Sparta nur noch 
Vorwand und Ausdruck; der wahre Gegensatz ist der der höhern 
und niedern gesellschafllichen Classe in ganz Griechenland, und 
wie die Spartaner in Alhen selbst unter der höheren Classe der 
Athenienser mächtige und thätige Bundesgenossen und Freunde 
hatten, so konnten die Athenienser in Sparla auf die Messenier 
und Heloten als neue kampfbereite Freunde zählen. — Das waren 
im Allgemeinen die Elemente derjenigen Verhältnisse, aus 
denen nunmehr die Theorie, oder die Publicistik Athens, von der 
wir zu reden haben, hervorging. 
Fasst man nun das Gesagie in Einen Ueberblick zusammen, 
so ist es sogleich klar, dass unter solchen Verhältnissen, und 
namentlich in einem Volke, wo die einigermassen Wohlhabenden 
sofort damit begannen, sich mit den Staatsangelegenheiten zu 
beschäftigen, gewiss nicht erst zu Aristoteles Zeit sich bestimmte 
Ansichten oder Theorieen gebildet haben werden. Es lag gar zu 
nahe, sich die auf jene Verhältnisse bezüglichen Fragen vor- 
zulegen. Nur dass die Untersuchungen darüber wenigstens im 
Anfange einen andern Charakter hatten, als dasjenige was man 
jetzt wohl die Rechtsphilosophie nennt. 
Offenbar liegt die Aufgabe unserer heutigen Rechtsphilosophie 
im Gebiete des reinen Wissens, und auch der kühnste Philosoph 
wird, wenn er überall auf eine praktische Wirkung seiner Ideen 
hofft, dieselbe nur auf dem weiten Wege von der inneren Ueber- 
zeugung des Einzelnen bis zur äusseren Belhätigung hoffen. In 
Griechenland war das anders. Hier war das Volk selbst Herrscher, 
und gab sich selbst seine Gesetze. Viele Beispiele lagen vor, 
dass man entweder bei der Gründung der neuen Staaten oder 
doch nach den Umwälzungen derselben einzelnen ausgezeichneten 
Männern den Auftrag gegeben, die Grundgesetze der Stadt zu 
entwerfen. Ein Staatsphilosoph stand daher im Allgemeinen 
der Praxis viel näher, und eben desshalb halte denn auch die 
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