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hüten. Bei den unteren Volksklassen fehlen zur Zeit diese
freilich wohlthätigeren und weniger der Gefahr des Missbrauchs
unterliegenden Schranken.
Der Einfluss der Familien .erstreckt sich kaum bis zum Alter
der Mannbarkeit, und die Sorge um die Zukunft beschwert die
Gemüther nicht. Die Gemeinde und die Genossenschaft hat für
die erwachsene Jugend die Rechte und Pflichten der Familie
überkommen; ihnen ist die Sorge für die Hinterbliebenen an-
heimgefallen.
Die Rechte und den Einfluss hat man denselben ge-
nommen; die Pflicht der Unterstützung hat man ihnen ge-
lassen. In nothwendiger Folge davon hat diese Pflicht ihren
natürlichen Charakter verloren und ist zu einer verderblichen
Last geworden.
Wir verhehlen es uns nicht: dass man der Gemeinde, den
Dienstherren und den gewerblichen Genossenschaften ihre Rechte
gegen die unverheirathete Jugend nahm, hatte in der miss-
bräuchlichen Benutzung derselben seine leider nur zu triftige
Veranlassung. Das Streben der Gemeinden, Dienstherren, sowie
der gewerblichen Corporationen ging dahin, durch ihre Anord-
nungen in Betreff der männlichen Jugend und insbesondere durch.
Erschwerung der Ehen und der selbsiständigen Niederlassung sich
wohlfeile Arbeitskräfte-zu sichern.
Allein dadurch, dass man den Zwang aufhob, ohne irgend
welche Miltel, um auf die Veredlung der Sitte und die Er-
höhung des Lohnes einzuwirken, — selbst ohne dieses Ziel
als das nothwendig zu Verfolgende mit Klarheit zu erkennen —
hat man nur Zustände geschaffen, für welche die Heilmittel noch
schwieriger zu finden sind.
Wir wollen das Entgegengesetzie erreichen: Erhöhung
des Lohnes und Kräftigung der Sitte.
In diesem Bewusstsein scheuen wir uns nicht, Bahnen zu
betreten, vor welchen die weichliche Humanität unserer Zeit zu-
rückschreckt.
Der Grund dieser Scheu liegt doch vornehmlich in sitt-
licher Schwäche. Einmal begreift man wohl, dass die For-
derung einer grösseren Enthaltsamkeit für die unteren Volks-