Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

über Armenpflege und Heimathsrecht, 349 
zu sehr erschwert sei; dass die bei dieser Gelegenheit gefor- 
derten Gebühren, Abgaben u. s. w. zu hoch seien, und die Er- 
sparnisse verschlängen, welche bei der Gründung eines geord- 
neten Haushaltes so unentbehrlich sind; dass der Tagelöhner 
der Willkür und oft nicht zu leugnenden Engherzigkeit der 
Gemeinden ohne den wirksamen Schutz einer höheren Aufsicht 
preisgegeben sei u. s. w. Dagegen waren dahin gehende For- 
derungen, dass es bei Niederlassungen und Schliessung von 
Ehen allein auf das Urtheil und den Willen des Betheiligten 
ankommen solle, welcher die Folgen seines Thuns selbst zu 
tragen haben werde, selbst von Demokraten nicht zum Gegen- 
stand ihrer Programme und Losungen gemacht. Der Grundsatz, 
dass es bei Niederlassungen und Schliessung von Ehen darauf 
ankomme, ob die neue Familie ihren redlichen Unterhalt finden 
könne, dass die Gemeinde hierbei betheiligt sei, und ihr eine 
Stimme darüber zustehe, fand vielmehr auch bei den untersten 
Volksklassen vollkommene Anerkennung. 
Neben dieser Stimmung der dabei am meisten betheiligten 
Volksklassen, verdient doch auch die Thatsache Beachtung, dass 
die Erscheinungen eines Proletariats, insbesondere auf dem Lande 
in Baiern nicht bekannt, und die Lohnsätze (bei einer grösseren 
Wohlfeilheit des Unterhaltes — sowohl der Nahrungsmittel als 
der Wohnungen —) höher sind, als in Preussen, insbesondere 
in den östlichen Provinzen. 
Der Mangel an Keuschheit und Sittensirenge kann, abge- 
sehen von dem Einfluss anderer Verhältnisse, mit vollem Rechte 
der Unangemessenheit einzelner Bestimmungen und der Härte 
ihrer Ausübung in vielen Fällen beigemessen werden, also Um- 
ständen, welche nicht sowohl eine noihwendige Folge, sondern 
vielmehr ein Missbrauch und eine verkehrte Anwendung der von 
uns vertheidigten Grundsätze sind '). 
——— 
  
1) Das baierische Gesetz fordert als Bedingung der Niederlassung (von 
Lohnarbeitern), dass der Erwerb aus dem Lohne, vermöge des örtlichen 
Bedarfs und im Gegenhalt zu der Zahl bereits vorhandener Lohnarbeiter als 
nachhaltige Nahrungsquelle betrachtet werden könne. Ausserdem soll auf 
erprobten Fleiss und bewährte Tüchtigkeit des Bewerbers, auf langes Ver- 
bleiben in demselben Dienst und namhafte Ersparnisse ganz vorzüglich
	        
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