350 Betrachtungen
Weniger bekannt als die Bestimmungen der baierischen
Gesetzgebung ist es, dass in Hannover durchaus dieselben
Grundsätze, jedoch in milderer Ausprägung und Handhabung
herrschen.
Auch dort ist die Aufnahme in eine Gemeinde, sowie die
Schliessung einer Ehe zunächst an die Zustimmung der Gemeinde
geknüpft. Jedoch ist der Obrigkeit ausdrücklich das Recht. vor-
behalten, diese Zustimmung durch ihre Entscheidung zu ersetzen,
also auch gegen den Willen. der Gemeinde die Aufnahme oder
die Ertheilung des Trauscheines anzuordnen, wenn ein zur Klasse
der Handarbeiter oder Taglöhner Gehörender nicht nur arbeits-
fähig ist, sondern auch wirklich am Orte ein Unterkommen und
Beschäfliigung findet und dabei eine sparsame Lebensweise führt !).
Rücksicht genommen werden. Vergl. das revidirte Gesetz über Ansässig-
machung und Verehelichung, vom 1. Juli 1834. $. 2 zu IV d. Die Verehe-
lichung wird nur gestattet, wenn zuvor ein gesetzlicher Titel der Ansässig-
machung erworben ist. Es ist hieraus ersichtlich, dass es für einen
Lohnarbeiter schwer ist, gegen den Wunsch und das Urtheil der Gemeinde
die Ansässigkeit zu gewinnen, da über das Verhältniss der Zahl der Lohu-
arbeiter im Vergleich zum Bedürfniss, über den Fleiss und die Tüchtigkeit
des Arbeiters nur ein subjectives Urtheil nach den Verhältnissen des Ortes
und Kenntniss der Person zu gewinnen ist, Einen positiven Anhalt zur
Begründung von Ansprüchen gewährt das Gesetz dem Arbeiter nicht, auch
aus einem längeren Aufenthalt kann er solche nicht herleiten.
1) Die Domizilordnung vom 6. Julius 1827 verfügt im $. 3, dass ein zur
Klasse der Handarbeiter oder Taglöhner Gehörender durch die Bestimmung
der Obrigkeit wider den Willen der Gemeinde die Aufnahme erlangt, wenn
er die Wahrscheinlichkeit, seinen Unterhalt auf längere Zeit zu finden, nach-
weiset. Dahin gehört besonders :
a) dass er arbeitsfähig, also nicht körperlich- oder altersschwach ist;
b) dass er Arbeit gefunden, welches er glaubhaft nachweisen muss. Aus-
serdem muss er a
c) eine Wohnung gefunden haben.
Der $. 5 dieses Gesetzes bestimmt ferner, dass ein 5jähriger ununter-
brochener Aufenthalt unter näher angegebenen Bedingungen das Recht zum
ferneren Aufenthalt erwirbt. Dienstboten und Gesellen sind jedoch von
dieser Bestimmung ausgenommen ($. 7). Für Einwohner in diesen Verhält-
nissen gehört ein 20jähriger Aufenthalt dazu, um das Recht des dauernden
Aufenthaltes zu begründen ($. 9).
Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind durch Verwaltungsentscheidungen
theils näher festgestellt, theils ergänzt worden; eine Zusammenstellung der