Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

über Armenpflege und Heimathsrecht. 367 
Die allgemeinen (Kranken- und) Sterbekassen sind freiwillige 
Vereine, deren Statuten jedoch der Genehmigung des Ober-Präsidenten und 
deren Verwaltung der Aufsicht der Polizeibehörden unterliegen. Wegen 
der Regelung der wenigen, jedoch durch die Zahl ihrer Mitglieder bedeu- 
tenden, ÜUnterstützungskassen für die Fabrikarbeiter sind erst Einleitungen 
getroffen. 
Bei den Gesellenkassen nimmt die Bewilligung laufender Unter- 
stützungen in Krankheitsfällen die Mittel der Kasse vorzugsweise in Anspruch, 
obwohl auch Beiträge zu den Kosten der Beerdigung daraus gewährt werden. 
So wurden im Jahre 1851 im Ganzen rund 30,000 Rthir. für den Zweck 
der Krankenpflege und nur 4000 Rthlr. an Sterbegeldern gezahlt. Dies er- 
klärt sich dadurch, dass die Theilnehmer in der Regel noch im Jugendalter 
stehen, und bei Veränderung ihres Standes — d. h. wenn sie Meister wer- 
den — so wie bei dem Wechsel des Aufenthaltsortes aus der Kasse aus- 
scheiden. So ist natürlich die Zahl der Sterbefälle im Vergleich zur Mit- 
gliederzahl gering. Die Verbindung der Sterbekasse mit der Krankenkasse 
ist, wie schon bemerkt, nicht vortheilhaft. Die Berlin verlassenden oder 
sich selbstständig niederlassenden Gesellen verlieren die an die Sterbekasse 
gezahlten Beiträge; dazu wird die klare Einsicht in den Zustand der Kasse 
erschwert. Bis jetzt werden die Beiträge für beide Zwecke nicht von ein- 
ander getrennt; in der Regel werden jährlich 2 Thlr. (monatlich 5 Sgr.) 
gezahlt, woraus die Krankengelder (meistens 1 Thlr. die Woche, neben freier 
Medizin und ärztlicher Behandlung) und die Sterbegelder zu bestreiten sind. 
Ob diese Beiträge hinreichend sind um den Verpflichtungen zu genügen, 
lässt sich aus den vorliegenden Materialien nicht hinreichend übersehen. 
Denn es sind daraus weder die durchschnittliche Zahl der Krankheitsfälle 
noch der Sterbefälle zu entnehmen. Wahrscheinlich sind die Beiträge mit 
Rücksicht auf die übernommene Last Sterbegelder zu zahlen, zu gering be- 
messen. Mindestens sind die gesammelten Bestände dieser Kassen (im Ganzen 
rund 18,500 Thlr.) gegen die Zahl der Mitglieder (25,000), welche Ansprüche 
auf Auszahlung eines Sterbegeldes im Todesfalle haben, gewiss nicht erheb- 
lich zu nennen; die Möglichkeit den Verpflichtungen zu genügen, beruht 
offenbar auf dem fortdauernden Zutritt neuer Mitglieder. 
Noch weniger dem Zwecke entsprechend als die Verbindung der Kran- 
ken- und Sterbekasse ist der Umstand, dass aus diesen Kassen noch Aus- 
gaben ganz anderer Art, nämlich die Miethe für die Herberge, Gehälter 
und Remunerationen an den Ladenmeister, Altgesellen, und Delegirte, Au- 
schaffung von Utensilien u. s. w., genug Ausgaben für Innungszwecke be- 
stritten werden. Dieselben sind nicht unbedeutend, wenn die Zahl der Ge- 
sellen eines Gewerks gross ist. Zu diesen Zwecken einen Beitrag zu leisten 
haben alle diejenigen keine Veranlassung, welche der Innung nicht ange- 
hören. Ein grosser Theil der Gesellen betheiligte sich vor dem Jahre 1849 
nicht mehr an der Innung und es lag auch nicht in der Absicht der Ver- 
ordnung vom 9, Februar sie dazu — d. h. zu einem Beitrage. für die Her-
	        
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