vom Asyle. 469
I.
Der thatsächliche gegenwärtige Zustand.
1.
Das positive Recht der bedeutendsten Staaten.
Die Gewährung eines Asyles für die polizeilich oder ge-
richtlich verfolgten Unterthanen anderer Staaten, so wie das
Recht, bezichungsweise die Pflicht, zur Auslieferung solcher Per-
sonen, sind nur Theile des gesammten Verhaltens der Staaten
zur Bestrafung der Verbrechen überhaupt. Ein richtiges Ver-
ständniss der Beslinmungen über jene Fragen ist somit bedingt
durch eine Kenntniss des ganzen Systemes. Es kann daher auch
im Nachstehenden nicht blos der Stand der Gesetzgebung über
das Asylrecht, sondern muss überhaupt ein kurzer Ueberblick
über die von den verschiedenen Staaten gegenüber vom Ver-
brechen eingehaltenen Grundsätze gegeben werden.
Vollkommene Einstimmung herrscht unter allen Staaten da-
rüber, dass ein jeder Staat das Recht hat, die von seinen eigenen
Unterthanen, im eigenen Gebiete, gegen ihn selbst oder gegen
Mitunterthanen unternommenen Verbrechen nach seinem Gutdün-
ken zu verhindern, beziehungsweise zu bestrafen. — Dieser Satz
ist so unbestritten, dass es der Anführung von Beweisstellen
nicht bedarf.
Ebenso ist völlige Einstimmigkeit darüber, dass jeder Staat
berechtigt ist, Ausländer während ihres Aufenthalts in seinem
Gebiete seiner Polizei- und Rechtsgesetzgebung zu unterwerfen,
demgemäss auch die einheimischen Strafgesetze gegen sie an-
zuwenden wegen der von ihnen gegen ihn selbst oder gegen seine