Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

478 Völkerrechtliche Lehre 
freilich diese Grundsätze nicht so ganz ausnahmslos eingehalten, 
wie man oft annimmt und auch wohl mit zweifelhaftem Selbst- 
ist England gehindert, die Auslieferung eines solchen naturalisirten Bürgers 
zu verweigern, weil demselben das staatsbürgerliche passive Wahlrecht ent- 
zogen i®t. — Dagegen liegt es in der Natur der Sache, dass der Staat Solche, 
welche er in seinen Verband noch nicht als wirkliche Mitglieder aufgenom- 
men hat, auch noch nicht als solche erklären und beschützen kann; und 
aus den elementarsten Rechtsbegriffen ergiebt sich, dass die erst theilweise 
Erfüllung der gesetzlichen Aufnahme - Bedingungen noch keine Veränderung 
im Rechtsstande hervorbringt. Auch ist unzweifelhaft, dass es keinen recht- 
lichen Zustand zwischen Bürger und Nichtbürger giebt; wer nicht Bürger 
ist, ist Ausländer, Desshalb beruht denn die von den Vereinigten Staaten 
in dem Koszta-Handel aufgestellte Theorie, dass ein Ausländer durch ein- 
faches Domicil Anspruch auf Staatsschutz gegen Aussen erwerbe, selbst 
wenn er nicht einmal die Absicht habe, das Bürgerrecht zu erlangen, auf 
entschiedenster Begriffsverwirrung oder unerträglicher Anmaassung. Die zur 
Rechtfertigung des Satzes aufgestellte Behauptung, (s. die Note des Staats- 
sekretärs Marcy vom 25. Sept. 1853, in New-York Weekly Herald, Nro 880,), 
dass eine sulche Person nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Sätzen 
zwar nicht naturalisirt, wohlaber nationalisirt sei, ist geradezu aus 
der Lult gegriffen. Ein solcher Unterschied von Naturalisation und Nationa- 
lisirung ist noch gar nie, weder in der Wissenschaft noch im Leben, aufge- 
stellt worden; und ist überhaupt Nationalität und Nationalisirung gar kein Rechts- 
begriff, sondern eine geschichtliche oder psychologische Thatsache. Die zum 
Beweise der Behauptung beigebrachten Gründe sind höchst kläglich. Die 
Stelle aus Kent’s Commentarien spricht gar nicht von Bürgerrecht oder Na- 
tionalität, sondern von der Unterwerfung fremder Kaufleute unter das Lan- 
desrecht. Die Gewohnheit der Consuln in der Levante, auch Nichglands- 
leute in ihren Schutz zu nehmen, ist eine völlige Singularität jener halb- 
barbarischen Zustände. Und wenn endlich der amerikanische Minister glaubt, 
die so naheliegende Einwendung eines unerträglichen Missbrauches seiner 
Theorie durch die Behauptung enikräften zu können, dass im Falle eines 
gegen das Ausland begangenen Verbrechens von Seiten eines „Naturalisirten“ 
das Verhältniss werde als erschlichen erklärt werden: so ist diess myr aus 
völligem Mangel aller Rechtsbildung zu erklären. Wie kann bei der That- 
sache des Domicils und den rechtlichen Folgen derselben von gutem oder 
schlechtem Glauben die Rede sein? Wo macht die Gesetzgebung der Ver- 
einigten Staaten die Erwerbung des Bürgerrechtes oder der Nationalität von 
einer Absicht oder einer Unsträflichkeit des Betragens abhängig? Wie kann 
ein Bürgerrecht durch ein Verbrechen im Auslande verloren geben? Die 
ganze Streilfrage berührt die Lehre vom Asylrechte nur gelegentlich, und 
ihre Bedeutung liegt ganz wo anders: dennoch ist auch auf jenem Felde 
hinreichender Grund zu ernstlichster Bekämpfung der amerikanischen Be-
	        
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