482 Völkerrechtliche Lehre
Frankreich anerkennt, zunächst, kein Recht eines Frem-
den sich gegen den Willen des Staatsoberhauptes aufzudrängen.
Vielmehr ertheilt das Gesetz vom 21. April 1832 ausdrücklich
die Befugniss, Fremde aus dem Staatsgebiete zu entfernen, wenn
ihre Anwesenheit der öffentlichen Ruhe und Ordnung nachtheilig
sein sollte; und zwar steht die Entscheidung lediglich Regierungs-
behörden und nicht etwa den Gerichten zu. Aber auch gedul-
dete Flüchtlinge sind bestimmten Vorsichtsmaassregeln unterwor-
fen; namentlich werden sie immer in das Innere gebracht. S.
Rundschreiben des Polizeiministers vom April 1853. — Was
aber die Auslieferung betrifft, so ist von einer solchen in Be-
ziehung auf Franzosen gar keine Rede. Einige frühere Verträge,
welche das Gegentheil gestatieten, nämlich ein Vertrag mit Spa-
nien vom 3. Juni 1777, welcher die Auslieferung in den beider-
seiligen Besitzungen von St. Domingue auch auf eigene Unter-
thanen ausdrücklich ausdehnte;; ferner ein Vertrag vom 20. Juli
1780 mit dem Bischof von Basel, welchem gemäss gegenseitig
Unterihanen wegen eines „crime grave et public“ ausgeliefert
werden konnten, sind längst erloschen und standen immer ver-
einzel. Ein kaiserliches Decret vom 23. Oct. 1811 aber, wel-
ches dem Staatsoberhaupte eine solche Ueberlassung eines eigenen
Unterthanen an einen fremden Staat vorbehielt, ist ausser Uebung,
wenn es überhaupt je zur Anwendung kam. Fremde dagegen
liefert Frankreich aus; jedoch nur unter folgenden Beschrän-
kungen. Vorerst ist die ausdrückliche Genehmigung des Staats-
oberhaupies in jedem einzelnen Falle nölhig. Sodann werden
nur eigene Unterihanen des verlangenden Landes, nicht aber
etwa auch Solche, welche sich früher in dieses Land anderwärts
her geflüchtet hatten, ausgeliefert. Drittens geschieht es nicht
wegen staatlicher Verbrechen und nicht wegen bloser Vergehen,
sondern nur wegen gemeiner Verbrechen (crimes). Endlich muss
20. Mai 1844 ein ganz allgemeiner Auslieferungsvertrag ohne alle Beschrän-
kung; ausserdem zahlreiche Verträge über die Auslieferung von Fahnen-
flüchtigen. Da Russland überdiess zu den Staaten gehört, welche den Zu-
tritt und den Aufenthalt von Fremden lediglich nach ihrem Belieben ord-
nen: (s. die angeführte Schrift von Witte, S. 33 fg.) so ist dasselbe in
‚allen praktischen Beziehungen in die gegenwärtige zweite Klasse zu setzen.