Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

vom Asyle. 495 
zelnen auch zwischen unabhängigen Staatsindividuen rohe Gewalt 
beseitigt und ein Rechiszustand eingeführt werden. Daher denn 
seit Hugo Grotius so viele Werke über die gegenseitigen 
Verhältnisse gleichzeitiger Staaten, in welshen untersucht wird, 
welche Rechte ein Staat gegenüber von anderen gleichzeitigen 
Staaten habe, beziehungsweise anerkennen müsse. Mit anderen 
Worten, es wird in dieser Wissenschaft, in Folge der Heraus- 
arbeilung aus barbarischen Zuständen und Lebensanschauungen, 
die Rechtsaufgabe aller gesittigten Staaten über ihr eigenes in- 
neres Bedürfniss erweitert zur Ordnung der nächsten äusseren 
Beziehungen unter gleichzeitigen Staatsindividuen. Und je weiter 
die Gesilligung vorschreitet, desto weiter dehnen sich auch die 
Forderungen un das internationale rechtliche Zusammenleben aus; 
wie diess namentlich auch aus den neuesten Wendungen der 
völkerrechtlichen Lehre, nämlich einer Seits aus der immer ent- 
schiedener hervortretenden Forderung eines ungestörlen Welt- 
verkehres, anderer Seits aus den wissenschafllichen und prak- 
tischen Bemühungen um einen Welt-Staalenbund sich ergiebt. 
Nichts wäre daher natürlicher gewesen, als wenn die theore- 
tische Bearbeitung des Völkerrechtes — des philosophischen so- 
wohl als des positiven — regelmässig bis zu der Selzung und 
Lösung der sllgemeinsten Rechtsfrage vorgeschrilten wäre. Diess 
ist aber keineswegs der Fall. So weit wenigstens meine Kenntniss 
geht, ist C.S. Zachariä der einzige, welcher unter dem Namen 
eines „Weltbürgerrechtes* eine ausführliche Behandlung der 
obersten Rechtsaufgabe des Staates unternimmt, und hierin die 
leizte Entwicklungsstufe des internationalen Lebens findet. (S. 
dessen Vierzig Bücher vom Staate, 2. Aufl., Bd. V, S. 235 ff.) 
Seine allerdings unvollständig und in wunderlicher Form vorge- 
tragene Lehre hat jedoch keinen Anklang gefunden. Entweder 
wird sie-kurzweg mit wenigen und beweislosen Worten abge- 
wiesen, vielleicht sogar gerade die enigegengeselzle Behauptung 
aufgestellt, der Staat habe nur sich selbst zu schützen (so z. B. 
von Oppenheim, System des Völkerrechts, S. 195 und 384 ff.), 
oder aber, und diess ist das gewöhnliche, unterbleibt jede Unter- 
suchung. So kommt es denn, dass man die Ansichten der Völ- 
kerrechtslehrer über die vorliegende allgemeine Frage haupt-
	        
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