Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

510 Völkerrechtliche Lehre 
mehr Wortgepränge und Leidenschaft, als mit stichhaltigen Grün- 
den wird jede Auslieferung bekämpft von Cauchois Lemaire 
und Guyet (Appel & l’opinion publique, ä& la Haye, 1817). 
Ihnen ist die Aufnahme eines Flüchligen förwliche Rechispflicht, 
die Auslieferung ein Verbrechen gegen die persönliche Fieileit 
und eine Anmassung von Gerichtsbarkeit, wo keine begründet 
ist. — Wissenschaftlicher und umsichliger, aber nicht immer fulge- 
richtig ist Provo Kluit (wohl eigentlich den Tex) De dedi- 
tione profugorum. Lugd. Bat., 1%39. Ihm zufolge hat der Staat 
ein vollkoımmenes Recht des Asyles, und der verlelzien Regie- 
rung sieht nur eine Bitte auf Auslieferung zu. Die Gewährung 
derselben ist keine vollkommene Verpflichtung, weil der Staat 
nicht die Aufgabe hat, fremdes Recht zu schülzen und zu för- 
dern; doch besteht allerdings eine siltliche Pflicht in Beziehung 
auf solche gemeine Rechtsverleizungen, welche überall als solche 
gelten. Unbedingt ausgeschlossen ist somit Auslielerung wegen 
kleinerer Vergehen, und wegen angeblicher staatlicher und kirch- 
licher Verletzungen. Der Widerlegung enigegengeselzier Mei- 
nungen ist viel Raum gewidinet. 
Bedeutend nun aber ist auch die Zahl und das Ansehen 
Derer, welche im Widerspruche mit den bisher angeführten An- 
sichten eine rechtliche Verpflichtung zur Auslieferung 
anerkennen. 
Unter den Systematikern spricht sich schon der Vater 
des Völkerrechtes in diesem Sinne aus (s. H. Grotius, De Jure 
b. et p., Lib. II, c. 21). Er erachtet, dass der die Auslieferung 
verweigernde Staat sich zum Mitschuldigen des Verbrechers 
mache. Der verletzte Staat habe ein Recht auf Bestrafung, wel- 
ches ihm durch keine Herrschaftshandlung der diesseitigen Re- 
gierung geschmälert werden dürfe. Ein Schuldiger habe keinen 
Anspruch auf Asyl; zum mindesten sei er forlzuschaflen. — Die- 
selbe Ansicht verficht im Wesentlichen Cocceius in seinem 
Praelect. ad H. Gr. libros de jure belli et pacis, I. c. Man sei dem 
fremden Staate Hülfe schuldig in seinen Bemühungen um Herstellung 
des Rechts. — Buddeus, Jurispr. histor. spec., 317 fg., erklärt 
die Verweigerung einer Auslieferung für eine Beleidigung des ver- 
letzten Staates, welcher ein grosses und gerechtes Interesse bei der
	        
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