vom Asyle. 533
dass jeder Staat ausschliesslich die Aufgabe habe, die Lebens-
zwecke seiner Theilnehmer zu fördern, zu dem Ende aber die
entsprechenden Mittel zu ergreifen. Eine weitere Bestimmung,
also namentlich eine Förderung allgemeiner Zwecke der gesammten
Menschheit oder der Gesittigung aller Völker u. s. w., wird ledig-
lich zurückgewiesen als unklare Phantasterei oder besten Falles
als ein erst in unabsehbarer und unbestimmbarer Zeit vielleicht
eintretender Zustand. — Das unentbehrlichste aller Mittel zur
Erreichung der concreten Lebenszwecke ist die Herstellung -einer
bestimmten Rechtsordnung. Eine solche Ordnung besteht aber,
wenn die Verhältnisse der dem Staate angehörigen Einzelnen zu
Einzelnen, der verschiedenen, im Staate befindlichen menschlichen
Vereine unter sich und zu Einzelnen, endlich die der Gesammt-
heit zu den Einzelnen und zu den gesellschaftlichen Gliederungen
des Volkes bestimmt sind und, nölhigen Falles, vom Staate auf-
recht erhalten werden. Das hierzu Erforderliche an Gesetzen,
Vorbeugunsmaassregeln, Gerichten und Vollstreckungseinrichtun-
gen muss vorhanden sein und nach den jeweiligen Bedürfnissen
in gutem Stande erhalten werden. — So wie nun aber der Staat
überhaupt ein in sich abgeschlossener Organismus ist und zu
Erreichung seiner Zwecke sich selbst genügen muss ohne Bei-
hülfe anderweitiger Einzelner oder Vereine: so namentlich auch
bei seiner Rechlsordnung. Was über die eigenen, auf die rich-
tige Weise in Anspruch genommenen Kräfte hinausgeht, ist eine
relative Unmöglichkeit für ihn, und kann nicht gefordert werden.
Ebenso aber beschränkt er auch seine Leistungen auf sich und
die Seinigen, und ist völlig zufrieden, wenn innerhalb seines ein-
heillichen Kreises keine Rechtsverletzungen vorkommen oder
solche wenigstens wieder gut gemacht werden. Gleiches für sich
zu thun, überlässt er jedem andern Staate, welcher ja ebenfalls
selbstständig seine eigenen Zwecke zu erreichen hat. Das Rechts-
verhältniss zu anderen Staaten besteht also lediglich darin, dass
keiner in die Selbstständigkeit des Andern eingreift, noch sich
seiner Seits eingreifen lässt. Gegenseitige völlige Unabhängig-
keit ist der oberste Grundsatz, und kein Staat hat ein Recht, von
dem andern eine Mitwirkung zu Erreichung seiner eigenen Zwecke
zu verlangen.