vom Asyle. 535
unter der diesseiligen Rechtsordnung, und nur unter dieser; und
was sie früher gethan oder unterlassen haben, berührt unsern
Staatszweck nicht, ist also auch kein Gegenstand einer Handlung
unserer öffentlichen Gewall. Desshalb ist es denn auch ganz
gleichgültig, ob sie bei der Begehung solcher früherer Handlung
Unterthanen des verletzten Staates waren, oder Fremde auch: für
ihn. Diess aber gilt nicht nur von der Bestrafung, sondern auch
von der Auslieferung. Den in diesseitigen Schutz Aufgenommenen
mag etwa, je nachdem über ihre Persönlichkeit Nachrichten von
fremden Staaten einlaufen, aus Gründen der eigenen Rechts-
sicherung die Aufenthaltserlaubniss wieder entzogen werden;
allein diese Maassregel kann nicht weiter gehen, als bis zu ein-
facher Ausweisung. Eine Mitwirkung zur Strafgerechligkeit eines
andern Staates und zur Vollstreckung seiner Zwecke wäre eine
offenbare Folgewidrigkeit.
Endlich versteht es sich von selbst, dass ein Staat, welcher
diese selbstsüchtige Auffassung von der Rechtsordnung hat, auch
seiner Seits keinerlei Ansprüche an andere Staaten machen darf,
ihn in dem Schutze seines verletzten Rechtes zu unterstützen.
So wie er diese Aufgabe auffasst, muss er sie auch von Anderen
auffassen lassen; und er kann sich selbst dann nicht beschweren,
wenn ein fremder Staat, welcher im Allgemeinen eine weiter-
gehende Ansicht von seiner Rechtspflicht hat, ausnahmsweise
und als Retorsion: gegen ihn die von ihm selbst befolgten Grund-
sälze anwendet.
3.
Folgen der bisher erörterten Ansichten.
Es sei gestattet, die Erörterung der verschiedenen mög-
lichen Ansichten über das nothwendige Verhalten des Staates
zur Rechtsordnung an dieser Stelle auf einen Augenblick zu un-
terbrechen, um die Folgen scharf ins Auge zu fassen, welche
sich sowohl aus dem einen, als aus dem andern der beiden bis-
her besprochenen Systeme ergeben. Es ist diese Schlussziehung
desshalb nöthig, weil eine Einsicht in dieselbe den weileren An-
schauungen zu Grunde liegt.
Zeitschr. für Staatsw. 1853. 3s Heft. 35