544 Völkerrechtliche: Lehre
Verbindet dagegen der Staat, welcher sich zu jener engen
Auffassung seiner Rechtspflicht bekennt, damit die Bewilligung
eines unbedingten Asyles für Fremde nicht, — und es hängen
diese heiden Einrichtungen keineswegs mit solcher Nothwendig-
keit zusammen, dass sie gar nicht getrennt werden können, —
so mindern sich allerdings die Uebel. Der Stnat behält die Mög-
lichkeit, sein eigenes Land rein zu halten, so wie das Ausland
von besländiger Furcht zu befreien. Aber auch hier bleilt doch
iimmer noch Bedenken genug übrig.. — Unter allen Umständen
wird es grosser und fortgeseizier Aufmerksamkeit auf die in
das Staatsgebiet eintretenden Fremden bedürfen, um sich sehr
unerwünschten Zuzuges zu erwehren. Trotz deın nämlich, dass
kein unbedingtes Asylrecht besteht, wird doch schon die Aussicht
auf völliges Unterbleiben jeder Art von gerichtlicher Untersuchung
und Bestrafung allerwärts Rechtsverbrecher anlocken. Möglicher-
weise finden sie ja Schutz durch Nachsicht oder Täuschung über
ihre Persönlichkeit; im schlimmsten Falle steht nur einfache
Wegweisung bevor. Der Zudrang wird also jeden Falles gross
sein und bedenkliche Bestandtheile enthalten. — Allein daran
nicht genug. Offenbar hängt der ganze Zustand lediglich von
den Grundsätzen ab, welche der Staat in Beziehung auf das Asyl-
recht überhaupt aufstellt.- Behält er sich ein freies Entscheidungs-
recht über die Annahme und Duldung eines jeden Fremden vor,
(eine alien bill,) dann hängt allerdings nur von ihm ab, sich
selbst und Andere vor Schaden und Gefahr zu bewahren; und
es bleiben dann nur in so ferne Nachtheile, als etwa einem wirk-
lich gefährlichen Menschen Aufenthalt verwilligt wird, oder weil
die Duldung eines bestimmten Flüchtlings einem: fremden Siaate,
gleichgültig jelzt ob mit Recht oder Unrecht, “Veranlassung zu
Besorgnissen und zu Beschwerden giebt. Macht dagegen der
Staat die Aufenthaltserlaubniss abhängig von der Erfüllung ge-
wisser gesetzlicher Bedingungen, (wie diess wohl bei der
gesammiten Rechisauffassung eines solchen Staates der wahrschein-
logisch und juristisch so unhaltbar: dass in der That nur eine Verbindung
von leidenschaftlicher Anmaassung und von gedankenloser Unwissenheit auf
einen solchen Grundsatz verfallen kann. Dieses Urtheil kann den Vereinigten
Staaten nicht erspart werden.