vom Asyle. '557
Hiermit sind denn wohl die Grundzüge des vermittelnden
Systemes, sowohl was die active Mitwirkung zur Herstellung der
Rechtsordnung, als die passive Gewährung von Asyl betrifft, im
Wesentlichen entwickelt, und also auch die Hauptanhaltspunkte
für das praktische Verfahren gegeben. — Nicht gesagt ist aber
freilich, dass nicht bei genauerem Eingehen in die Einzelnheiten
sich noch das Bedürfniss von Ausnahmen oder Modifica-
tionen herausstelle.e Nur selten decken sich die logischen
Schlussfolgen eines Systemes und die Wirklichkeiten des Lebens;
und namentlich in dem vorliegenden Falle, wo es sich nicht von
der starren Durchführung eines Grundsatzes, sondern vielmehr
von der Aufstellung einer praktisch zuträglichen Einrichtung
handelt, wäre es sehr unverständig, ein sich aufdrängendes Be-
dürfniss durch einfache Verweisung auf eine logische Schluss-
folge abweisen zu wollen. Solche Fragen sind vielmehr nach
ihren sachlichen Verhältnissen und in dem Geiste der Vermeidung
von überwiegenden Unzuträglichkeiten zu entscheiden.
Theils genauere Prüfung der Lehre, theils Betrachtung der
in den positiven Verträgen niedergelegten Bestimmungen führt
denn auch in der That zu der Ueberzeugung, dass in einer Reihe
wichtiger Fragen eine rücksichtslose Durchführung der allge-
meinen Sätze zu entschiedenen Unzuträglichkeiten führen würde.
Und zwar finden sich dergleichen Fälle sowohl bei den Maass-
regeln hinsichtlich der gemeinen Vergehen, als bei der Behand-
lung Solcher, welche sich gegen das öffentliche Recht eines an-
dern Staates, angeblich oder wirklich, verfehlt haben.
In ersterer Beziehung sind es zwei Punkte besonders, welche
eine ernstliche Ueberlegung verdienen. Einmal nämlich fragt
es sich, ob eine Auslieferung wegen eines gemeinen Verbrechens
statlfinden darf, auf welches in dem zur Bestrafung befugten
Lande geselzlich eine grausame und von der diesseiligen
Gesittigung entschieden verworfene Strafe bestimmt ist? Sodann
ist, zweitens, zu untersuchen, ob die sämmtlichen Vorbeugungs-,
Bestrafungs- und Auslieferungs-Grundsätze auch bei kleineren
und unbedeutenderen Rechtsverletzungen zur Anwendung kommen
sollen?
Die erste dieser beiden Fragen ist unzweifelhaft zu ver-