Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

vom Asyle. 567 
weniger löblichen Handlungsweise Anderer ab; sondern es muss 
eine etwaige Unterlassung ihrer Rechispflicht durch anderweitige, 
an sich unantasibare Mittel erzwungen werden. — Vom Zweck- 
mässigkeitsstandpunkte aber erscheint einer Seits eine Retorsion 
allerdings als das natürlichste und wirksamste Mittel zur Nöthigung 
des Gegners; und zu gleicher Zeit ist man geneigt, sie auch für 
noihwendig zur Wahrung der Ehre zu betrachten. Auf der an- 
dern Seite verliert man durch das Eingehen auf Ausnahms- 
maassregeln die sichere und abgeschlossene Haltung, welche am 
leichtesten über Zweifel und Schwierigkeiten weghilft, und na- 
mentlich auch die einfachste und am wenigsten verletzende Ver- 
theidigung gegen zu weit gehende Forderungen anderer Staaten 
abgiebt. Wenn einmal aus Nutzensgründen abgewichen wird 
vom Grundsatze, so ist das Ende von Forderungen und Nach- 
giebigkeiten nicht abzusehen. Als höchste Wahrung der Ehre 
aber mag es angesehen werden, wenn sich der Staat unter keinen 
Umständen, selbst durch eine Verletzung nicht, von der Hand- 
habung des als Recht und Pflicht Erkannten abdrängen lässt. — 
Erwägt man nun, dass das Völkerrecht zwar eine Befugniss, da- 
gegen die Förderung der Rechtsordnung eine Verpflichtung giebt; 
ferner, dass die Festhaltung des Systemes eine höhere, weil eine 
weitersehende, Klugheit ist, auch ein edleres Ehrgefühl verräth: 
so muss man wohl zu dem Schlusse kommen, dass die ausnahm- 
lose Festhaltung sämmtlicher Grundsätze über Rechisförderung 
auch gegenüber von solchen Staaten, welche dieselben gegen 
uns nicht vollständig einhalten, die richtige Handlungsweise sowohl 
aus Gründen des Rechts als der Staatskunst ist. Dass damit 
übrigens die Benützung jedes an sich erlaubten sonstigen Mittels 
zur Gewinnung oder zur Nöthigung des Gegners vereinbar ist, 
versteht sich von selbst. Es soll nicht feige Friedensliebe um 
jeden Preis und marklose Geduld empfohlen werden; sondern 
vielmehr das richtige Verfahren nach versländiger Erwägung von 
Pflicht und Vortheil. | 
Geringerem Zweifel unterliegt die Beantwortung der Frage: 
was Recht und Klugheit gebieten, wenn ein anderer Staat in seiner 
Beihülfe zur Rechtsordnung weiter geht, als wir; er aber Gleiches 
von uns verlangt? Geht man hier nämlich davon aus, dass das 
Zeitschr. für Staatsw. 1853. 4s Heft. 37
	        
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