Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

E84 Völkerrechtliche Lehre 
könnten. — Somit ist auch hier klar, dass die einfache An- 
schliessung an die Lehre bei weitem das Zuträglichste wäre. 
Nicht so leicht freilich ist ein Abkommen mit denjenigen 
Staaten, welche die erste Gruppe bilden, also mit England und 
Nordamerika. Hier handelt es sich nicht blos von Fassung oder 
von kleineren Abänderungen und Zusälzen, sondern es wird der 
Grundsatz selbst geläugnet. Während nämlich nach dem eben 
genannten Rechte allerdings solche Vergehen gegen Fremde, 
welche innerhalb ‘des Gebietes begangen werden, zur Sirafe ge- 
bracht werden können, wird jedes Verfahren gegen eine im Aus- 
lande begangene Handlung eines Staatsangehörigen verweigert. 
Es steht also hier die Territorialität des Rechtes (in der Auffas- 
sung als Beschränkung auf das eigene Gebiet) dem Grundsatze, 
dass ein unbestraft gebliebenes, im Auslande gegen Ausländer 
begangenes Unrecht des Unterihanen zum Behufe einer Förderung 
der Weltrechtsordnung zu bestrafen sei, geradezu entgegen. 
Die Einwendungen, welche sich gegen das englische System 
erheben lassen, sind manchfach und bedeutend. — Vor Allem 
trifft es der Vorwurf der Folgewidrigkeit. Würde sich das eng- 
lische Recht lediglich beschränken auf den Schutz des eigenen 
Staates und der Angehörigen desselben, und würde also keinerlei 
Verletzung eines fremden Rechtes als Gegenstand von Unter- 
suchung und Strafe betrachtet: so möchte zwar eine solche 
Selbstsucht immerhin aus Gründen der allgemeinen Gesittigung 
und Humanität getadelt werden; allein es wäre ganz folgerichtig, 
wenn auch ein im Auslande begangenes Verbrechen unberück- 
sichtigt bliebe. Allein so weit treibt das englische Recht seine 
Abschliessung nicht. Ein im Lande selbst gegen auswärliges 
Recht begangenes Verbrechen ist ihm strafbar, wie eben bemerkt 
wurde. Ein Recht also, welches gar nicht innerhalb der geo- 
graphischen Schutzgränzen liegt, findet in diesem Falle Schutz ; 
eine Handlung, welche innerhalb dieser Gränzen gar keine Wir- 
kung hat, wird als strafbar betrachtet. Offenbar kann der ein- 
zige Rechtsgrund dieses Verfahrens sein, dass der Staat seinen 
Unterthanen die Verletzung auch fremder Rechte untersagt hat 
in Anerkennung seiner Pflicht, das Recht überhaupt innerhalb 
des Umfanges seiner ausschliesslichen Wirksamkeit zu wahren,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.