Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

586 Völkerrechtliche Lehre 
Es mag nun sein, dass sich politische Leidenschaft zu einer Ent- 
schuldigung und selbst einer Lobpreisung dieses Verhaltens hin- 
reissen lässt; allein einem ungetrübten rechtlichen Urtheile muss 
es als ein Verkennen der allgemeinen Rechtsaufgabe jedes ge- 
sittigten Staates und als eine grobe Selbstsucht erscheinen, welche 
um so weniger zu enischuldigen sind, als jede wirklich wün- 
schenswerihe und löbliche Ausdehnung des Asylrechtes mit einer 
Bestrafung wirklicher Verbrechen durchaus vereinbar ist. — Der 
Fehler aber ist um so grösser, als die genannlen Staaten durch 
solche Straflosigkeit offenbarer Rechtswidrigkeiten sich selbst 
manchfach schaden. Einmal, indem sie ihre eigene Sicherheit 
und Rechtsordnung in Gefahr bringen, wie bereits oben ange- 
deutet ist. Die gegenüber dem Auslande wo nicht gehegte, doch 
wenigstens nicht unterdrückte unrechtliche Gesinnung und Ge- 
wohnheit muss nolhwendig auch in inländischen Verhältnissen 
sich geltend machen. Sodann aber, weil leicht missliche Ver- 
bältnisse zu auswärtigen Staaten entstehen, welche sich, und in 
der That mit Recht, über Verweigerung von Schutz und Hülfe 
beschweren. So gewiss ein grosses Reich Alles daran setzen 
soll, um dem Rechte nichts zu vergeben; so wenig löblich und 
so unklug ist es aber, wenn es sich und den Seinigen Schaden 
zuzieht durch Festhaltung offenbaren Unrechtes, welches nicht 
einmal von ihm ausgeht, ihm selbst schadet, und schliesslich nur 
in einer verkehrten theoretischen Ansicht seinen Grund hat. 
Mehr als naiv aber ist es, wenn man glaubt, Vorwurf und Scha- 
den durch Berufung auf die nun einmal so bestehenden Grund- 
sätze der Landesgeseize abwenden zu können. Eben über diese 
Gesetze beschwert man sich ja; und zu ihrer Abänderung be- 
darf es nur der Einsicht und des guten Willens. 
Eine grosse Selbsttäuschung wäre es freilich, wollte man 
diesen Gründen einen baldigen und wirksamen Sieg in Eng- 
land und in den Vereinigten Staaten versprechen. Selbst die 
schlagendste theoretische Beweisführung würde ohne Zweifel zu- 
nächst noch keine Umwandlung der dort herrschenden Ansichten 
bewerkstelligen. Dem widersetzen sich die geringe Ausbildung 
der Rechtsgelehrten dieser Länder in den allgemeinen Lehren; 
die Ueberschätzung der persönlichen Ungebundenheit; die Miss-
	        
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