588 Völkerrechtliche Lehre
englischen Systems ein Ansprueh auf eine Gerichtsbarkeit dieser
Art ganz ausser Frage ist; sondern auch in den übrigen Staaten
die Gerichte eine Zuständigkeit über Fremde nur entweder in
Folge eines allgemeinen Grundsatzes, welcher nicht ausgesprochen
ist, oder nach ausdrücklichen Einzelnbestimmungen in Anspruch
nehmen könnten. Wenn auch etwa (was übrigens auch noch dahin
steht) ein Gewohnheitsrecht eine allgemeine Zuständigkeit über
Seeräuber begründet: so ist diess nur eine Ausnahme, welche
sich darauf gründet, dass Verbrecher dieser Art als ganz ausser
allem Gesetze und Rechte befindlich angenommen werden. — Um
so bemerkenswerther ist daher die Gesetzgebung Oesterreichs,
Bayerns und Sachsens, welche — mit untergeordneten Abwei-
chungen — die Frage bejaht, und somit die Mitwirkung zu einer
Weltrechtsordnung bis zu ihrer äussersten Spitze anerkennt.
Ist nun jene, ausdrückliche oder stillschweigende, Verwer-
fung zu tadeln und das Beispiel dieser deutschen Staaten als ein
allgemein nachahmungswürdiges und in richtiger Auffassung be-
gründetes anzupreisen ?
Die Antwort wird sich danach richten, ob die, unzweifel-
haft logisch richtigere, Anwendung des kosmopolitischen Grund-
satzes überwiegende praktische Nachtheile in ihrem Gefolge hat,
oder nicht. — Dass vor Allem solche Nachtheile nicht etwa be-
stehen können in Verwicklungen, sei es mit dem zunächst ver-
letzten Staate, sei es mit demjenigen, welchem der Verbrecher als
Unterihan angehört, ergiebt sich daraus, dass unter allen Um-
ständen der diesseitigen Strafe ein Anerbieten der Auslieferung
an diese beiden Staaten muss vorangegangen, dieses aber abge-
wiesen worden sein. Wenn es nun aber diesen Staaten aus-
drücklich anheim gegeben wurde, den Beschuldigten nach ihrer
Auffassung von Recht zu behandeln und ihn der diesseitigen
Gerichtsbarkeit zu entziehen, so können sie sich weder über
einen Eingriff in ihr eigenes näheres Recht, noch über eine der
bestraften Person zugefügte Unbill beschweren. — Eben so wenig
kann von einem allgemeinen Vorwurfe die Rede sein, dass der
zu solcher Handlungsweise sich berechtigt und verpflichtete Staat
seinem Rechte eine allgemeine Geltung auch ausserhalb seiner
Gränzen beizulegen versuche. Einer Seits beurtheilt er natürlich