vom Asyle. 593
#) Vergleichung des belgischen und des französischen Systemes.
Wird nun aber dem Staate ein Recht auf nöthige Freiheit
der eigenen Entscheidung und auf Verfahren nach örtlichen und
persönlichen Verhältnissen zuerkannt, so kann — und diess ist
die Antwort auf ‘die zweite der oben aufgestellten Fragen —
darüber wohl kein Zweifel obwalten, dass es fast ein Widerspruch
in sich ist, wenn man die Entscheidungen der Regierung durch
allgemeine Gesetze möglichst zu regeln und zu beengen sucht,
wie diess das belgische Recht thut. Darin besteht ja eben das
Tadelnswerthe der englischen Auffassung, dass man einem Fremden
ein förmliches Recht giebt, sich aufzudrängen, und zwar dess-
halb, weil er mit den Gesetzen seines Vaterlandes in Zwiespalt
gekommen ist; anstatt der Regierung in jedem besondern Falle
eine Prüfung über die Annehmbarkeit der Person und über die
wahrscheinlichen Folgen des Schutzes nicht nur einzuräumen,
sondern sogar zur Pflicht zu machen. Nun ist es aber klar, dass
wenn ganze Kategorieen von Personen ein für allemal als zu-
lassungsfähig erklärt sind, wenn ferner die Aufkündigung des
Schutzes bestimmten Voraussetzungen gesetzlich unlerliegt, ein
grosser Theil der freien Bewegung wieder genommen ist. Es
ist unmöglich, diese Kategorieen so zu bilden, dass sich nicht
in vielen einzelnen Fällen Unzuträglichkeiten ergeben; keinem
Scharfsinne wird es gelingen, alle trifiigen Gründe einer Wieder-
wegweisung zum Voraus auszusinnen. Die ein für allemal ge-
gebenen Ansprüche benehmen der Regierung die Möglichkeit,
Bedingungen der Duldung vorzuschreiben, welche vielleicht allein
im Stande wären, die im Inneren oder von Aussen drohenden
Nachtheile zu beseitigen. Es kann unter diesen Umständen weder
an Zerwürfnissen mit dem Auslande, noch an widrigen .und fast
unwürdigen Streitigkeiten mit einzelnen Flüchtlingen fehlen. Das
Ganze ist eine halbe Maassregel, welche denn auch alle Folgen
einer solchen hat, namentlich Undank von jeder Seite. — Ent-
schieden ist also das System der völligen Unbeschränktheit der
Staalsgewalt vorzuziehen. Dass darunter nicht Willkühr und un-
begründete Härte verstanden sein will, versteht sich von selbst.
Auch da, wo der Regierung eine Prüfung des einzelnen Falles
zusteht, und wo Bedingungen der Aufnahme und fernern Dul-