Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

66 Betrachtungen 
hier nicht wie in den Städten in der geordneten Armenpflege 
eine letzte Zuflucht findet '). 
Die Bestimmung, welche es dem Beschluss der Gemeinde- 
behörden lediglich überlässt, ob sie die Einrichtung von Kranken- 
kassen für Gesellen und Fabrikarbeiter mit der Verpflichtung, 
sich daran zu betheiligen, anordnen wollen, hat in der löblichen 
Absicht ihren Grund, die Selbstständigkeit der Gemeinden 
zu befördern. Es ist indess ohne Zweifel der falsche Weg, die 
Selbstständigkeit der Localbehörden in der Gesetzgebung 
insbesondere über Verhältnisse von allgemeiner Bedeutung zu 
suchen. Dieselbe ist den Gemeinden vielmehr in Beziehung auf 
die Verwaltung ihrer Angelegenheiten einzuräumen. Die Zu- 
stände der arbeitenden Klassen in Beziehung auf das Bedürf- 
niss solcher Anstalten sind keinesweges von Ort zu Ort ver- 
schieden; wohl aber können die Schwierigkeiten hier grösser 
  
1) Wie bereits erwähnt, ist ein Antrag, Unterstützungskassen auch für 
die ländlichen Arbeiter zu errichten, in der 2ten Kammer unter dem 16. Febr. 
1852 wirklich eingebracht worden. Die mit seiner Begutachtung beauftragte 
Kommission erkannte im Allgemeinen die Wohlthätigkeit solcher Anstalten 
und die Pflicht der öffentlichen Behörde, ihre Entwickelung zu leiten und 
zu befördern an, glaubte indess, dass die Wahrnehmung dieser Pflicht, ähnlich 
wie bei der Errichtung von Unterstützungskassen für Gesellen u. s. w. den 
einzelnen Kommunen oder Kreisständen zu überlassen sein würde. Da eine 
nähere Untersuchung weder über die Dringlichkeit des Bedürfnisses noch über 
die Folgen der bestehenden Gesetzgebung in Beziehung auf die Gesellenkassen 
u. 8. w. angeordnet wurde, konnte die Kommission kaum zu einem andern 
Ergebnisse kommen, als „die nähere Erwägung und Erörterung des Gegen- 
„standes unter Anerkennung seiner Wichtigkeit der Staatsregierung an- 
„heim zu stellen.“ Eine sichere Grundlage für die durchgreifende Be- 
handlung dieses das Wohl und die persönliche Freiheit der arbeitenden Klassen 
so tief berührenden Gegenstandes kana nur gewonnen werden, wenn die 
Nothwendigkeit seiner Regelung durch die Thatsachen überzeugend nach- 
gewiesen und die Resultate des bisher eingeschlagenen Weges gründlich 
untersucht werden. Die den Kammern beigelegte Initiative in der 
Gesetzgebung hat nur einen Werth und eine Bedeutung, wenn dieselben 
durch ihre Thätigkeit auf eine eigenthümliche und wirksame Weise dazu 
beizutragen wissen, dass diese Grundlage gewonnen werde. Im andern Falle 
werden die Kammern unerachtet aller Bestimmungen der Verfassung sich 
genöthigt sehen, die Initiative lediglich der Staatsregierung zu überweisen. 
(Vgl. die Nummern 114 und 299 der III. Session der 2ten Kammer.)
	        
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