Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 28. Die Kreisbehörden. 107 
Zum Zwecke der Verwaltung der Angelegenheiten des Kreises und 
der Wahrnehmung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung 
fungiert in jedem Landkreise ein Kreisausschuß. Der Kreisausschuß 
besteht aus dem Landrate und sechs Mitgliedern, welche von dem Kreis- 
tage aus der Zahl derjenigen Kreisangehörigen, denen die Wahl- 
berechtigung im Wahlverbande der größeren Grundbesitzer zusteht, nach 
absoluter Stimmenmehrheit gewählt werden. Geistliche, Kirchendiener 
und Elementarlehrer können nicht Mitglieder des Kreisausschusses sein; 
richterliche Beamte, zu denen jedoch die technischen Mitglieder der 
Handels-, Gewerbe= und ähnlichen Gerichte nicht zu zählen sind, nur 
mit Genehmigung des vorgesetzten Ministers. Der Kreistag kann 
nach Bedürfnis einen Syndikus bestellen, welcher an den Sitzungen 
des Kreisausschusses mit beratender Stimme teilnimmt. Die Wahl 
der Ausschußmitglieder erfolgt auf sechs Jahre mit der Maßgabe, daß 
bei Ablauf der Wahlperiode die Mitgliedschaft bis zur Wahl des 
Nachfolgers fortdauert. Alle zwei Jahre scheidet ein Drittel der Mit- 
glieder aus. Die Ausgeschiedenen bleiben wählbar. Jede Wahl 
verliert ihre Wirkung mit dem Aufhören einer der für die Wählbar- 
kcit vorgeschriebenen Bedingungen, worüber der Kreisausschuß Beschluß 
zu fassen hat. Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die 
Klage beim Bezirksausschusse statt. Die Klage, welche auch dem Vor- 
sitzenden des Bezirksausschusses zusteht, hat keine aufschiebende Wirkung; 
jedoch dürfen bis zur rechtskräftigen Entscheidung Ersatzwahlen nicht 
stattffinden. Für das Streitverfahren kann der Kreisausschuß einen 
besonderen Vertreter bestellen. Die Ausschußmitglieder werden vom 
Vorsitzenden vereidigt. Sie können im Wege des Disziplinarverfahrens 
durch Entscheidung des Bezirksausschusses — Berufungsinstanz ist das 
Oberverwaltungsgericht — ihrer Stellen enthoben werden, wenn sie 
die Pflichten verletzen, die ihnen ihr Amt auferlegt, oder sich durch 
ihr Verhalten in oder außer dem Amte der Achtung, des Ansehens 
oder des Vertrauens, die ihr Beruf erfordert, unwürdig zeigen (LVG. 
§ 39). Ordnungsstrafen können gegen sie nicht festgesetzt werden. 
Der Kreisausschuß hat: 1. die Beschlüsse des Kreistages vorzu- 
bereiten und auszuführen, soweit damit nicht besondere Kommissionen, 
Kommissarien oder Beamte durch Gesetz oder Kreistagsbeschluß beauftragt 
werden; 2. die Kreisangelegenheiten nach Maßgabe der Gesetze und 
der Beschlüsse des Landtages, sowie in Gemäßheit des Kreishaushalts- 
etats zu verwalten; 3. die Beamten des Kreises zu ernennen und 
deren Geschäftsführung zu leiten und zu beaussichtigen; 4. sein Gut- 
achten über alle Angelegenheiten abzugeben, welche ihm von den 
Staatsbehörden überwiesen werden; 5. diejenigen Geschäfte der all- 
gemeinen Landesverwaltung zu führen, welche ihm durch Gesetz über- 
tragen werden. In welchen Fällen hiernach der Kreisausschuß als 
Beschlußbehörde oder als Kreisverwaltungsgericht bezw. als Wald- 
schutzgericht zu fungieren hat, ist überall bei den betreffenden Rechts- 
materien angegeben. 
Die laufenden Geschäfte der dem Ausschusse übertragenen Verwaltung 
werden vom Landrate geführt, der die Beschlüsse des Ausschusses vor-
	        
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