6 1. Buch. Verfassung des preußischen Staates.
Gegenzeichnung ist nicht erforderlich bei Armeebefehlen und Ordres,
welche der König in Militärdienstsachen oder Personalangelegenheiten
erläßt (Art. 46 Vll. u. AE. v. 18. 1. 1861 VMl. S. 73) und bei
Anordnungen als Summus episcopus (Inhaber des landesherrlichen
Kirchenregiments).
Die vollziehende Gewalt steht dem Könige allein zu. Er er-
nennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze
und erläßt die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen (Art. 45
Vu.). Das Verordnungsrecht des Königs beschränkt sich nicht auf
Verwaltungsnormen, sondern umfaßt auch allgemeine Rechtsnormen.
Dem Könige steht die Militärhoheit zu, er führt den Oberbefehl
über das Heer, er besetzt alle Stellen im Heere, sowie in den übrigen
Zweigen des Staatsdienstes, sofern nicht das Gesetz ein anderes ver-
ordnet (Art. 46, 47 VIl.).
In seiner Eigenschaft als deutscher Kaiser sind dem Könige von
Preußen nach Maßgabe der Reichs= und Militärgesetze noch weitere
Rechte bezüglich des deutschen Heeres übertragen worden. Die Maß-
nahmen des Königs finden ihre Begrenzung darin, daß Ausgaben für
Heeresorganisationen nur auf Grund des Etatsgesetzes geleistet werden
dürfen. Ebenso ist auch der König bei Ausübung des Amterbesetzungs-
rechts an das Etatsgesetz (Art. 99 Vll.) gebunden; ferner hat er auch
die sonstigen Gesetze dabei zu beobachten, er kann nur solche Personen
anstellen, welche die gesetzliche Qualifikation (Richter, Staatsanwälte,
Regierungsräte, Landräte 2c.) haben. Würde der König auf Grund
seines Organisationsrechtes neue Behörden errichten, so wäre der Land-
tag befugt, die Ausgaben für diese Behörden zu verweigern. Das Recht
der bei diesen Behörden angestellten Beamten auf Gehaltszahlung pp.
wird hierdurch jedoch nicht berührt.
Der König hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen,
auch andere Verträge mit fremden Regierungen einzugehen (Art. 48
Satz 1 Vl.).
Vorstehendes Recht des Königs hat infolge der Stellung des Königs
als deutscher Kaiser eine erhebliche Einschränkung erfahren, da nach
Art. 11 RV. der Kaiser das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im
Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bünd-
nisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen hat. So-
weit die Zuständigkeit des Reichs reicht, ist das Vertragsrecht für
Preußen obsolet geworden (z. B. für den Abschluß von Post-, Tele-
graphen-, Handels= und Bündnisverträgen), wohl aber kann Preußen
z. B. Auslieferungsverträge schließen, da diese der einzelstaatlichen
Kompetenz verblieben sind (vgl. E. Meier, Über den Abschluß von
Staatsverträgen, Leipzig 1874 S. 261, v. Rönne Bd. 1 S. 696;
G. Meyer § 188, Pröbst in Hirth's Annalen. 1882 S. 241 ff. Arndt,
Vu. Anm. 1 zu Art. 48 S. 185f.).
Verträge mit fremden Regierungen bedürfen zu ihrer staatsrechtlichen,
nicht völkerrechtlichen Gültigkeit, der Zustimmung der Kammern, sofern
es Handelsverträge sind, oder wenn dadurch dem Staate Lasten oder
einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden (§ 48 Satz 2