§ 71. Ordnungs= und Sittenpolizei. 269
Verfehlungen durch das Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt. Der-
artige Sittenverbrechen bezw. Vergehen sind Doppelehe (§ 171 StG.
in Verbindung mit Art. 347 EcG. z. BGB.), Ehebruch (S§ 172
St G.), verbotener Beischlaf (§8 173, 174 StE#B.), Verführung
und Notzucht (§§ 176—179 und 182), Kuppelei (Zuhältertum)
§ 180, 181, 1818 Ges. vom 25. Juni 1900 RGBl. S. 301),
öffentliche ÄArgerniserregung durch eine unzüchtige Handlung (§ 183
St G.), Ausstellen und Verbreiten unzüchtiger Schriften, Abbildungen
oder Darstellungen § 184 StGB., mit Strafschärfung bei gröblicher
Verletzung des Schamgefühls gegenüber jugendlichen Personen § 184"
St GB. und bei Argernis erregenden Mitteilungen aus nicht öffent-
lichen Gerichtsverhandlungen § 184° StGB. (Ges. vom 25. Juni
1900 Rel. S. 301). Ferner werden mit Haft bestraft, wer als
Landstreicher umherzieht (§ 361 Nr. 3), wer bettelt 1) oder Kinder
zum Betteln anleitet oder ausschickt oder vom Betteln abzuhalten
unterläßt (§ 361 Nr. 4), wer sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang
dergestalt hingibt, daß er unfähig wird zur Ernährung der Angehörigen
(§ 361 Nr. 5), eine Frauensperson, welche wegen gewerbsmäßiger
Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser
Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung
und des öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften
zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt
zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt (§ 361 Nr. 6). In allen
diesen Fällen können die Verurteilten zu Arbeiten, welche ihren Fähig-
keiten und Verhältnissen angemessen sind, innerhalb und, sofern sie
von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden, auch außerhalb
der Strafanstalt angehalten werden. Bei der Verurteilung zu Haft
kann zugleich erkannt werden, daß die verurteilte Person nach verbüßter
Strafe der Landespolizeibehörde zu überweisen sei. Im Falle der
Verurteilung wegen Bettelns ist dieses nur dann zulässig, wenn der
Verurteilte wegen dieser Übertretung mehrmals rechtskräftig verurteilt
worden ist, oder wenn derselbe unter Drohungen oder mit Waffen
gebettelt hat. Durch die Überweisung erhält die Landespolizeibehörde
die Befugnis, die verurteilte Person bis zu zwei Jahren entweder in
einem Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu
verwenden. Im Falle der gewerbsmäßigen Unzucht kann die Landes-
polizeibehörde die verurteilte Person statt in einem Arbeitshause in
einer Besserungs= oder Erziehungsanstalt oder in einem Asyul unter-
bringen; die Unterbringung in einem Arbeitshause ist unzulässig, falls
die verurteilte Person zur Zeit der Verurteilung das achtzehnte Lebens-
jahr noch nicht vollendet hat (6 362 StGB.).
1) Eine Polizeiverordnung, welche das Geben von Almosen an bettelnde
Wandersleute verbietet ist vom KG. in s. Urteil vom 10. November 1898 (in d.
DJZ. vom 15. 8. 1899 Nr. 6 S. 134 Nr. 14) für rechtsgültig erkärt worden,
„da durch das Überhandnehmen der Wanderbettler für eine Gegend Gefahren für
vas Eigentum, die Sicherheit des Verkehrs und die Gesundheit der Einwohner
entstehen.“ Die Verordnung findet ihre materielle Begründung in § 6 litt a, b. f
und i des Ges. vom 11. März 1850 bezw. der Verordn. vom 20. September 1867.