§ 74. Entwicklungsgeschichte. § 75. Die Gemeinheitsteilungsordnung. 299
sassen auf Lebenszeit zu belassen und nach seinem Tode den Nach-
kommen unter denselben Bedingungen zu verleihen (sogen. Laßgüter).
Immerhin war und blieb der Gutsherr berechtigt, derartige Güter
jederzeit ohne Entschädigungspflicht wieder einzuziehen. Dieser Be-
sugnis wurde allerdings im Interesse der Allgemeinheit eine Schranke
gezogen, indem die Landesherren auf gesetzlichem Wege die Wieder-
vereinigung dieser Bauerngüter mit dem Hofgute verboten und die
Wiederbesetzung erledigter Stellen mit bäuerlichen Wirten zur Pflicht
machten. Durch ein Edikt Friedrichs des Großen von 1749 wurde für
Preußen dieses „Legen der Bauernhöfe“ untersagt. Im Einklang da-
mit bestimmte § 14, II7 AL R., daß die Anzahl der bäuerlichen Be-
sitzungen auf dem Lande weder durch Einziehung der Stellen und der
dazu gehörigen Realitäten noch durch das Zusammenschlagen ver-
mindert werden soll.
Dieser öffentlichrechtliche Schutz ließ an sich die Beschränkungen des
Eigentums, die mit dem laßitischen Besitz verbunden waren, unberührt.
Um auch den Besitzern dieser Güter ein festbestimmtes, vererbliches Recht
an ihrer Scholle zu gewähren, entschloß man sich im Wege der Gesetz-
gebung, den bloß laßitischen Besitz in freies Eigentum zu verwandeln,
die Gutsherren aber für die ihnen entzogenen Vorteile zu entschädigen.
Schrittweise ging man hierbei in Preußen vor. Die einzelnen Phasen
dieser Entwicklung sollen in den folgenden Paragraphen dargestellt
werden.
8 75. Die Gemeinheitsteilungsorduung.
Mit der am Martinitage 1810 durch Edikt vom 9. Oktober 1807
(GS. S. 1806—1810 S. 170) angeordneten Aufhebung aller Guts-
untertänigkeit im Gebiete des Preußischen Staates ergab sich die Not-
wendigkeit der Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Ver-
hältnisse. Zu diesem Zwecke wurden zwei Edikte vom 14. September
1811 zur Beförderung der Landkultur (GS. S. 300) 1) und betreffend
1) Im 3 1 des Landeskulturedikts vom 14. September 1871 werden alle
Beschränkungen des Grundeigentums, die aus der bisherigen Verfassung ent-
springen, gänzlich ausgehoben. Jeder Grundbesitzer ohne Ausnahme soll befugt
sein, über seine Grundstücke insofern frei zu verfügen, als nicht Rechte, welche
dritten darauf zustehen, und aus Fideikommissen, Majoraten, Lehnsverband,
Schuldverpflichtungen, Servituten und dergl. herrühren, verletzt werden. Jeder
Eigentümer kann daher mit Ausnahme der vorgedachten Fälle sein Gut oder seinen
Hof vergrößern, verkleinern, verbessern, vererben oder sonst im Wege des Rechts
darüber verfügen, ohne zu einer dieser Veräußerungen einer besonderen Genehmigung
zu bedürfen. Zwecks Erleichterung der auf dem Grundbesitz ruhenden Lasten hob
man den Teil der Staatsabgaben und Lasten auf, der auf dem ganzen Gute
ruhte, wie den Vorspann und die Fourageleistung. Wegen der Grundsteuer be-
stimmte man, daß diese „bei Vereinzelungen“ auf die abzutretenden Teile verhält-
nismäßig repartiert werden sollen (§ 3). Die Einschränkung in der Nutzung der
Privatwälder (Parzellierung, Uberwachung) sollen in Fortfall kommen, sofern nicht
Verträge mit einem dritten oder Berechtigungen anderer entgegenstehen (§ 4). Ein
etwaiges Widerspruchsrecht gegen eine veränderte Benutzung der Grundstücke der
Realgläubiger, etwa vorhandener Lehns-, Fideikommiß= und Majoratsberechtigter soll
damit beseitigt sein (§ 6). Auch die Verordnung, nach welcher keine Ausländer zu