Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

12 1. Buch. Verfassung des preußischen Staates. 
Gründe zur Einsetzung einer Regentschaft sind nach Art. 56: 
1. Minderjährigkeit des Königs, d. h. Alter unter 18 Jahren. 
2. Dauernde Verhinderung des Königs. Eine solche liegt vor bei 
Gefangenschaft, Verschollenheit, unheilbarer Geisteskrankheit oder sonstiger 
dauernden Erkrankung. Die genannten Fälle sind jedoch nur Beispiele, 
und es ist Tatfrage, wann im einzelnen Falle eine „dauernde“ Be- 
hinderung, staatsrechtliche Handlungsunfähigkeit anzunehmen ist. (Vgl. 
Archiv f. öffentl. Recht, Bd. 6 S. 489 ff.) 
Bei vorübergehender Verhinderung z. B. bei Reisen des Königs in 
das Ausland tritt nach freiem Ermessen des Königs nur eine Ver- 
tretung ein. Die Person des Vertreters, Inhalt, Umfang, Dauer 
der Vertretung bestimmt allein der König, dessen diesbezügliche Ordre 
allerdings, da Regierungsakt, ministerieller Gegenzeichnung bedarf. 
Das Verhältnis dieses Vertreters zum König regelt sich lediglich nach 
den zivilrechtlichen Grundsätzen des Mandats. Der Stellvertreter ist 
verantwortlich für seine Regierungshandlungen und gebunden an die 
Weisungen des Königs, er hat weder den Schutz noch die Rechte des 
Souveräns, ist bloßer Untertan, besitzt überhaupt keine selbständige 
staatsrechtliche Stellung. (Vgl. GS. 1857 S. 802; 1858 S. 2, 
S. 101, S. 318, ferner Erlasse vom 2. Juni 1878, 17. November 
1887, 21. März 1888. Vgl. auch v. Stengel S. 46; Arndt Anm. 2. 
zu Art. 56 S. 209.) 
Stellung des Regenten. 
Der Regent übt die dem Könige zustehende Gewalt in dessen Namen 
aus (Art. 58 Satz 1 Vu.). Danach ist er, wie der König, unver- 
antwortlich. Wegen seiner Regierungs= und Privathandlungen kann 
er auch nach Beendigung der Regentschaft nicht zur Verantwortung 
gezogen werden. (Vgl. AE. v. 7. Oktober 1858 GS. S. 537).1) 
Strafrechtlich genießt er zwar nicht den Schutz der 88 80, 81, 94, 
St GB, wohl aber den der §§ 96, 97, 100, 101 St GB. Der Regent 
gar zwar als Familienoberhaupt, aber die Kronrente kommt ihm 
nicht zu. « 
Der Regent schwört nach Einsetzung der Regentschaft vor den 
vereinigten Kammern einen Eid, die Verfassung des Königreichs fest 
und unverbrüchlich zu halten und in Übereinstimmung mit derselben 
und den Gesetzen zu regieren. Bis zu dieser Eidesleistung bleibt in 
jedem Falle das bestehende gesamte Staatsministerium für alle Re- 
gierungshandlungen verantwortlich (Art. 58 Abs. 1 und 2 Vl.). 
Der Regent ist verpflichtet, den Eid auf die Verfassung zu leisten; 
der Eid hat nur bestärkende Kraft. Die Weigerung der Eidesleistung 
gilt nicht als Verzicht auf die Regentschaft. (Vgl. Arndt, Anm. 3 
zu Art. 58 Vl., Bornhak Bd. 1 S. 206, anderer Ansicht Zorn Bd. 1 
S. 238, Schulze 1 S. 219, Schwartz S. 164.) 
Die Führung der Regierung seitens des Staatsministeriums bis 
zum Antritt der Regentschaft besteht in der Fortführung der laufenden 
1) Die deutsche Kaiserwürde ist ein Akzessorium der Krone Preußens; der 
Regent übt diese Würde aus, ohne einen entsprechenden Titel zu haben. gl. 
Bd. 1 § 53 S. 95 zu II dieses Werkes.
	        
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