Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 86. Die Rechte der Anwärter eines Familienfideikommisses rc. 333 
der Lehnsauseinandersetzung (§8 511 ff., 527 ff. I 18 AL R., jetzt sind 
die §§ 1036 bis 1050, 1055, 101 f. BGB. maßgebend). 
Der Allodialerbe hat wegen seiner Ansprüche gegen den Fideikommiß- 
folger kein Zurückbehaltungsrecht am Fideikommißgute, wohl aber ein 
Recht auf eine Sicherungshypothek oder auf gerichtliche Verwaltung 
(preuß. ALR. 1 18 §8§ 600, 601; nach den §§ 883 ff. BGB. ist die Ein- 
tragung einer Vormerkung zulässig). 
8 86. Die Rechte der Anwärter eines Familienfidei- 
kommisses und ihre Vertretung. 
Wie von Lewis (Familienfideikommiß. Berlin 1868, S. 222) be- 
tont wird, ist das wesentlichste Merkmal eines Familienfideikommisses. 
die Unveräußerlichkeit der darin enthaltenen Immobilien und 
Mobilien. Nach preußischem Landrecht wird das die Veräußerung. 
durch den jeweiligen Fideikommißbesitzer hindernde Recht als das Ober- 
eigentum der Familie erklärt (§ 73 ALR. II 4), an welchem jeder 
Anwärter teil hat. 
Dies Anwartrecht ist nicht bloß ein Gesamtrecht, sondern recht eigent- 
lich ein Individualrecht des einzelnen Familienmitgliedes, das er selb- 
ständig ohne Zuziehung der Familie und ohne Familienschluß verfolgen, 
kann, wenn ihm nicht ein auch ihn bindender Familienschluß nach § 1 
des Gesetzes vom 14. Februar 1840 entgegensteht. ) 
Das vorerwähnte Wartrecht erzeugt für jeden Teilhaber an dem. 
Familienfideikommiß eine Klage gegen jeden dritten, der es verletzt. 
Besteht Streit darüber, ob ein Wartrecht besteht, so ist der Streit im 
Rechtswege zwischen dem Prätendenten und dem Bestreitenden auszu- 
tragen (§ 6 des Ges. vom 15. Februar 1840). Entsteht es bei Eintritt 
des Sukzessionsfalls, so kann es zur Bestellung eines Fideikommißkurators 
kommen, dessen Bestellung dem Fideikommißrichter obliegt (Bolze 5 
Nr. 227; RG. Bd. 19 S. 305). 
Das Recht des Anwärters gewährt ferner noch gemäß § 1 des 
Gesetzes vom 15. Februar 1840 ein Teilnahmerecht am Familienschluß. 
Bei Errichtung eines Familienschlusses, welcher erforderlich ist zu Rechts- 
geschäften über die Substanz des Familienfideikommisses, sofern nicht. 
das Gesetz selbst eine Ausnahme zuläßt, sind nicht allein die im Grund- 
buch eingetragenen, sondern auch die sonst noch vorhandenen Anwärter 
zuzuziehen (8 3 des Ges. vom 15. Februar 1840). 
Als berechtigt zur Teilnahme an der Errichtung des Familienschlusses- 
gelten nach § 5 diejenigen Anwärter, welche ihr Sukzessionsrecht ent- 
weder dadurch, daß sie im Hypothekenbuche, jetzt Grundbuche, einge- 
tragen stehen, oder durch andere öffentliche Urkunden nachweisen und 
alle die, welche von dem Fideikommißbesitzer und denjenigen Anwärtern, 
die sich in dem Termine zur Aufnahme des Familienschlusses gemeldet 
1) Der Familienschluß hat unbeschränkte Dispositionsmacht über das Familien- 
sideikommiß, er kann wesentliche Bestimmungen der Stiftung ergänzen, abändern, 
aufheben und daher auch Veräußerungen und Belastungen jeder Art zu rechts- 
hültigen machen. "
	        
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