Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 5. Der Landtag. 19 
papieren) durch die Amtsblätter (eingerichtet durch Verordn. vom 
28. März 1871) angeordnet. Eine Anzeige von jedem infolge des 
Ges. vom 10. April 1875 verkündeten Erlasses ist in die Gesetz- 
sammlung aufzunehmen (§ 5 des Ges. v. 10. April 1872). Gemäß 
Art. 106 Abs. 2 Vl. steht dem Richter eine Prüfung der Rechtsgültig- 
keit gehörig verkündeter Königlicher Verordnungen nicht zu. Da jedes 
Gesetz auch mindestens die Kriterien einer Königlichen Verordnung 
trägt, so ist es selbstverständlich, daß Art. 106 Abs. 2 sich auch auf 
Gesetze bezieht, demnach die Prüfung der Rechtsgültigkeit auch der 
Gesetze dem Richter entzogen ist (vgl. RG. Bd. 9 S. 234). Nur 
allein den Kammern steht eine Prüfung der Rechtsgültigkeit zu. 
Von dem Grundsatze, daß die Gesetze der Zustimmung des Land- 
tages bedürfen, läßt die preußische Verfassung eine Ausnahme zu. 
Dem Könige steht nach Art. 63 Vll. das Recht zu, sogenannte Not- 
verordnungen zu erlassen. Über dies Recht vgl. Handbuch der 
Verf. Bd. 1 S. 17 f. 
2. Mitwirkung bei der Aufstellung des jährlichen Staats- 
haushaltsetats, sowie die Kontrolle der Finanzverwaltung. 
Bezüglich des Staatshaushaltsetats ist die Tätigkeit der Volksver- 
tretung eine doppelte. Es bedarf einmal der vorgängigen Genehmigung 
bei Aufstellung des Staatshaushaltsetats und sodann einer nachfolgen- 
den Genehmigung bei Etatsüberschreitungen (Art. 104 Vl.). Es 
liegt ferner den beiden Häusern eine Kontrolle der gesamten Finanz- 
verwaltung in der Weise ob, daß sie nach Ablauf des Etatsjahres zu 
prüfen haben, ob der Etat auch von der Regierung innegehalten 
worden ist. Diese Prüfung erfolgt unter Mitwirkung der Oberrechnungs- 
kammer. Die Rechnungen über den Staatshaushaltsetat werden 
zunächst dieser Behörde vorgelegt, von ihr geprüft und festgestellt. 
Die Oberrechnungskammer hat ihre Ausstellungen (Monita) zu den 
Rechnungen zu machen, sofern nicht nach den bestehenden Gesetzen und 
Vorschriften verfahren ist. Die allgemeine Rechnung über den Staats- 
haushalt wird demnächst mit den Monita dem Landtage vorgelegt, der 
seinerseits die Finanzverwaltung des abgelaufenen Etatsjahres einer 
Prüfung unterzieht und den Ministern die Entlastung zu erteilen hat 
(Art. 104 Abs. 2 Vl. in Verbindung mit R. Bd. 13 S. 258). 
3. Das Recht der Mitwirkung bei der Aufnahme von Staats- 
anleihen und die Beaussichtigung des Staatsschuldenwesens. 
Dasselbe gilt bei der Ubernahme von Garantien, die der Staat übernimmt. 
4. Das Steuerbewilligungsrecht. Ohne die Zustimmung der 
beiden Häuser des Landtages können neue Staatssteuern nicht auferlegt 
und die bestehenden Steuern nicht abgeändert werden. Die bestehenden 
Steuern und Abgaben werden forterhoben, auch wenn einmal ein 
ordnungsmäßiges Budget gesetzlich nicht zustande kommen sollte 
(Art. 109 Vl.). 
5. Jede Kammer hat das Enqueterecht d. h. die Befugnis, behufs 
ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu 
ernennen (Art. 82 Vl.). 
6. Jede Kammer hat für sich das Recht, Adressen an den König 
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