Anhang (zu Kapitel 5). Schiffahrtswesen. 395
laden und dieselben eidlich zu vernehmen. Das Verfahren vor dem
Seeamt ist öffentlich und mündlich. Der Vorsitzende leitet die Ver-
handlungen, den Beisitzern und dem Reichskommissar steht das Recht
zu, an die zur Vernehmung erschienenen Personen unmittelbar Fragen
zu stellen. Das Seeamt faßt seine Beschlüsse auf Grund freier
richterlicher Beweiswürdigung (Entsch, des Oberseeamts Bd. 1 S. 437)
nach Stimmenmehrheit. Über die mündliche Verhandlung wird ein
von dem Vorsitzenden und dem Protokollführer zu unterzeichnendes
Protokoll ausgenommen, welches die Namen der Anwesenden und die
wesentlichen Momente der Verhandlung enthalten muß. Nach Schluß
der Verhandlungen hat das Seeamt über die Ursachen des Seeunfalls
seinen Spruch abzugeben. Derselbe muß mit Gründen versehen sein
und hat insbesondere das Ergebnis der Beweisverhandlungen festzu-
stellen. Der schriftlich abzufassende Spruch ist spätestens 14 Tage nach
Schluß der Verhandlungen in öffentlicher Sitzung zu verkünden und
Ausfertigung desselben dem Reichskommissar von Amts wegen, sowie
auf Verlangen dem Schiffer und dem Steuermann mitzuteilen. Auf
Antrag des Reichskommissars kann, wenn sich ergibt, daß ein deutscher
Schiffer oder Steuermann den Unfall oder dessen Folgen infolge des
Mangels solcher Eigenschaften, welche zur Ausübung seines Gewerbes
erforderlich sind, verschuldet hat, demselben durch den Spruch zugleich
die Befugnis zur Ausübung seines Gewerbes entzogen werden. Einem
Schiffer, dem die Befugnis entzogen wird, kann nach Ermessen des
Seeamts auch die Ausübung des Steuermannsgewerbes entzogen
werden. Gegen den Spruch auf den Antrag wegen Entziehung der
Befugnis zur Ausübung des Gewerbes steht sowohl dem Schiffer oder
Steuermann, als auch dem Kommissar das Rechtsmittel der Be-
schwerde an das Oberseeamt zu, welche binnen 2 Wochen nach
Verkündung bezw. Zustellung des Spruchs beim Seeamt schrift-
lich oder zu Protokoll einzulegen und demnächst, wenn bei Einlegung
keine Gründe angegeben sind, gerechtfertigt werden muß. Das Ober-
seeamt ist in gleicher Weise zusammengesetzt wie das Seeamt, nur
hat es außer dem Vorsitzenden sechs Mitglieder, von denen ein Mitglied
ständiger Beisitzer ist, der ebenso wie der Vorsitzende vom Kaiser
ernannt wird. Für das Verfahren vor dem Oberseeamt gelten im
allgemeinen dieselben Vorschriften wie beim Seeamt. Es kann auch
eine Ergänzung und Wiederholung der Beweisaufnahme vornehmen
oder anordnen. Das Gesetz ordnet in § 34 noch an, daß dem
Schiffer, Steuermann, Maschinisten, dem die Befugnis zur Ausübung
seines Gewerbes entzogen ist, diese nach Ablauf eines Jahres durch
das Reichsamt des Innern wieder eingeräumt werden kann.
Das sog. Strandrecht d. h. das früher vielfach geltend gemachte
Aneignungerecht gestrandeter Sachen seitens der Küstenanwohner und
des Landesfiskus war in Preußen schon durch die §§8 81—87, II,
15 des pr. ALR. beseitigt. Das Strandrecht ist jetzt für das ganze
Deutsche Reich geregelt durch die Strandungsordnung vom
16. Mai 1874 (RGBl. S. 173) nebst Nov. vom 30. Dezember 1901
zu §§ 25, 42 (RGl. 1902 S. 1). Zur Verwaltung der Strandungs-