Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 109. Quellenschutz. 411 
Eine unanfechtbare Grundlage für ein landesgesetzliches Quellen- 
schutzgesetz ist daher nur in Artikel 111 a. a. O. gegeben, wonach 
durch Landesgesetz im öffentlichen Interesse das Eigentum in Ansehung 
tatsächlicher Verfügungen beschränkt werden kann. 
Die Möglichkeit, einer Mineralquelle im Wege der Landesgesetz- 
gebung dadurch Schutz zu gewähren, daß die Eigentümer der in der 
Umgegend der Quelle belegenen Grundstücke den entsprechenden Be- 
schränkungen unterworfen werden, ist hiernach unter allen Umständen 
von der Feststellung abhängig, daß die Erhaltung der Quelle aus 
überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohles notwendig erscheint. 
Den Gegenstand einer solchen Feststellung werden zunächst solche 
Mineral= und Thermalquellen bilden können, welche als Heilquellen 
im eigentlichen Sinne anzusehen sind. In einem von der wissen- 
schaftlichen Deputation für das Medizinalwesen erstatteten Gutachten 
werden zu den Heilquellen diejenigen Mineral= und Thermalquellen 
gerechnet, welche nachweiebar in den letzten Jahren von einer Mehr- 
zahl von Kranken auf ärztliche Verordnung kurgemäß getrunken oder 
zu Bädern verwendet worden sind, sowie auf solche Quellen, welche 
bisher noch nicht in Anwendung waren, jedoch entweder ihren che- 
mischen Bestandteilen nach oder nach dem Grade ihrer natürlichen 
Wärme gebräuchlichen Quellen ebenbürtig sind. 
Dieser gesetzliche Schutz soll aber nicht bloß auf die Heilquellen im 
engeren Sinne des Wortes beschränkt sein, sondern es sollen auch 
diejenigen Mineralquellen (kohlensaure Quellen, Kohlensäuerlinge) von 
einem solchen Schutze nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein, deren 
Wasser vorzugsweise als Tafelwasser in den Handel kommt. Es 
würde nicht zulässig sein, diese Tafelwasser in ihrer Gesamtheit 
lediglich als Genußmittel anzusehen. Von zahlreichen und darunter 
namhaften Vertretern der ärztlichen Wissenschaft wird auch den Wassern 
vieler der sogen. Kohlensäuerlinge ein wesentlicher Heilwert beigelegt; 
eine scharfe Trennung zwischen Heilquellen einer= und Tafelwasser- 
quellen anderseits erscheint daher an sich nicht durchführbar. Daneben 
kommt aber noch in Betracht, daß in nicht seltenen Fällen der Betrieb 
einer Tafelwasserquelle in Verbindung mit den hierdurch beeinflußten 
Nebenindustrien (insbesondere Krug-, Flaschen= und Kistenfabriken) 
weiteren Kreisen der Bevölkerung gerade in solchen Teilen des Staats- 
gebietes, welche mit schwierigen Erwerbs= und Verkehrsverhältnissen 
zu kämpfen haben, lohnenden Verdienst gewährt, für den nach Wegfall 
dieser Erwerbszweige ein Ersatz nicht leicht würde beschafft werden 
können. Auch Erwägungen dieser Art werden bei der Beurteilung 
der Frage, ob eine Mineralquelle als gemeinnützig anzusehen sei, nicht 
außer Betracht gelassen werden dürfen. 
Ein solcher gesetzlicher Schutz für Tafelwasserquellen besteht auch 
schon seit langer Zeit in einem für die Quellenindustrie besonders 
bedeutsamen Teile des Staatsgebiets, nämlich in dem ehemaligen 
Herzogtum Nassau (Verordn. vom 7. Juli 1860). Überdies hat auch 
die Mehrzahl der Quellenschutzgesetze deutscher Bundesstaaten (Baden,
	        
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