§ 128. Straßenanlegungsgesetz. 1. Geschichtliches und Allgemeines. 46s
Grund des Ortsstatuts versagt wird, nach Anhörung des Gemeinde-
vorstandes zu erlassen. Polizeiverfügungen, welche entgegen den An-
trägen des Gemeindevorstandes die Baugenehmigung erteilen, sind
dem Gemeindevorstande mitzuteilen; diesem steht innerhalb zwei Wochen
die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde mit aufschiebender Wirkung zu.
Zweiter Titel.
123. Str l 1. Geschichtliches
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1. Die einschneidende Bedeutung, welche bei den in raschem An-
wachsen begriffenen größeren Städten den Bebauungsplänen und Flucht-
linienfestsetzungen für die kommunalen Interessen zukam, ließ eine
größere Mitwirkung der Gemeinden bezw. deren Vertretungen bei
Ausstellung dieser Baupläne dringend notwendig erscheinen. Nachdem
anfänglich ein Zusammenwirken von Gemeinde= und Staatsbehörden
bei Feststellung der Fluchtlinien vorgesehen war (ME. vom 12. Mai
1855 MBl. S. 100), wurde in dem Gesetz vom 2. Juli 1875 sowohl die
Aufstellung von Bebauungsplänen und Festsetzung von Baufluchtlinien,
die Veränderung bestehender und Anlegung neuer Straßen als auch
die Aufstellung von Retablissementsplänen, d. h. von Plänen für
die Wiederbebauung ganzer durch Feuer oder andere Ereignisse zer-
störter Ortschaften die Initiative hierzu in die Hand der Gemeinde-
behörde gelegt, diese wurde aber durchweg einerseits an das Ein-
verständnis der Gemeinde, anderseits an die Zustimmung der Polizei-
behörde gebunden. Außerdem wurde die öffentliche Auslegung des
Plans vorgeschrieben. Bei umfassenden Zerstörungen durch Brand
oder andere Ereignisse wird die Gemeinde für verpflichtet erklärt,
sofort sich darüber schlüssig zu machen, ob und inwieweit ein neuer
Bebauungsplan aufzustellen ist. Unter Umständen kann auch die
Ortspolizeibehörde die Festsetzung von Fluchtlinien verlangen und bei
Weigerung des Gemeindevorstandes die höhere Instanz anrufen.
Außer der in den §§ 1—12 des Straßenanlegungsgesetzes enthaltenen
Festsetzung der bei Bauten einzuhaltenden Fluchtlinien, sei es für ein-
zelne bestimmte Fälle, sei es im voraus durch Aufstellung allgemeiner
Bebauungspläne, regelt das Gesetz ferner die Entschädigungsansprüche,
die den Grundbesitzern aus einer solchen Feststellung der Fluchtlinien
erwachsen (§8§ 13, 14). Endlich stellt das Gesetz auch die Bedingungen
fest (§ 15), unter denen eine Heranziehung der Grundbesitzer zu den
Kosten neuer Straßenanlagen zulässig ist.
2. Inhalt des Gesetzes. Die wichtigsten Einzelbestimmungen
des Straßenanlegungsgesetzes 1) sind folgende:
Das Gesetz setzt den Begriff der Bau= und Straßenfluchtlinie,
ebenso wie den Begriff des Bebauungsplans als bekannt voraus.
Allgemein find unter Fluchtlinien die Grenzen zu verstehen, über
1) Literatur: Kommentar von K. Friedrichs, 5 Aufl. bearb. von H. v. Strauß.
und Torney. Berlin 1905.