Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

486 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
§ 10 des Enteignungsgesetzes soll die bisherige Benutzungsart bei der 
Abschätzung zu demjenigen Geldbetrage Berücksichtigung finden, welcher 
erforderlich ist, damit der Eigentlmer ein anderes Grundstück in der- 
selben Weise und mit gleichem Ertrage benutzen kann. Hierbei kann 
jedoch rein objektiv der Wert, der sich aus der bisherigen Benutzungs- 
art ergibt, niemals höher sein als der aus der Benutzungsfähig- 
keit abstrahierte Wert. Denn entweder ist die bisherige Benutzungs- 
art die vorteilhafteste, dann entspricht sie eben zugleich der Benutzungs- 
fähigkeit, oder das Grundstück kann ausgiebiger und vorteilhafter 
benutzt werden als bisher, dann greift zugunsten des Eigentümers 
der höhere Wert Platz, der sich aus der Benutzungsfähigkeit ergibt. 
Wenn also im § 10 a. a. O. die bisherige Benutzungsart als ein 
den Wert erhöhendes Moment vorausgesetzt ist, so kann damit nur der 
Wert gemeint sein, welchen das Grundstück für den bisherigen Eigen- 
tümer hatte, wie sich auch daraus ergibt, daß diesem durch die En- 
schädigung die Mittel gewährt werden sollen, ein anderes Grundstück 
in derselben Weise und mit demselben Erfolge zu benutzen. Daß da- 
bei besonders an ein von dem Eigentümer in dem Grundstück be- 
triebenes Gewerbe gedacht ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte 
des § 8. Daß der Ermittelung des Wertes, welchen ein Grundstück 
infolge des von ihm darin betriebenen Gewerbes für den Eigentümer 
hatte, nicht der ganze von demselben vermöge seiner Tätigkeit und 
Befähigung erzielte Geschäftsgewinn zugrunde gelegt werden kann, ist 
selbstverständlich, weil ja diese persönlichen Faktoren von der Ent- 
eignung unberührt bleiben, wohl aber müssen dem Eigentümer die 
Vorteile voll vergütet werden, welche ihm das abzutretende Grund- 
stück gerade in Hinsicht auf seinen Geschäftsbetrieb bietet. Als ein 
solcher Vorteil würde in Betracht kommen, daß in dem enteigneten 
Hause eine Gastwirtschaft seit langen Jahren betrieben worden ist. 
Hatte infolgedessen das Grundstück für den Eigentümer einen höheren 
Wert als für einen dritten, so muß ihm dieser höhere Wert ersetzt 
werden. Für die Bemessung dieses höheren Wertes bietet nach § 10 
Abs. 1 der Preis eines (gleichviel, ob durch Kauf oder mietsweise be- 
schafften oder zu beschaffenden) Ersatzgrundstückes einerseits die Grenze, 
anderseits den nächstliegenden Maßstab. 
Im Einklang mit vorstehenden Grundsätzen stehen auch weitere 
Bestimmungen des Gesetzes über die Berechnungsart der Entschädigung 
für den Fall, daß nur ein Teil des Grundbesitzes desselben Eigen- 
tümers in Anspruch genommen wird. Hier umfaßt die Entschädigung 
zugleich den Mehrwert, welchen der abzutretende Teil durch seinen 
örtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Ganzen hat, 
sowie den Minderwert, welcher für den übrigen Grundbefitz durch die 
Abtretung entsteht (§ 8 Abs. 2). Ebenso bestimmt § 9, daß, wenn 
mr ein Teil von einem Grundstück in Anspruch genommen wird, der 
Eigentümer verlangen kann, daß der Unternehmer das Ganze gegen 
Entschädigung übernimmt, wenn das Grundstück durch die Abtretung 
so zerstückelt werden würde, daß das Restgrundstück nach seiner bis- 
herigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig benutzt werden kann. Trifft 
 
	        
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