Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

544 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
währt. Durch die Säkularisationen im Jahre 1803 find die alten Dom- 
kapitel beseitigt worden, die neukreirten erhielten einen schlechthin kirch- 
lichen Charakter. Auf Grund der Zirkumstkriptionsbullen wurden sie als 
Korporationen mit selbständiger Vermögensfähigkeit wieder eingerichtet; 
die Mitglieder erhalten an Stelle der alten Präbenden Staatsgehälter. 
Für ihre inneren Angelegenheiten haben sie Autonomie. Die Ver- 
fassung der Kapitel ist verschieden, im allgemeinen entscheidet das 
Statut. Infolge statutarischer Bestimmung können die Kapitel auch 
ihr Vermögen selbständig verwalten, Beamte anstellen, ihr eigenes 
Siegel führen. Die Rechte, welche dem Kapitel zustehen, sind fol- 
gende: Bei besetztem bischöflichem Stuhl (sede plena) bildet das 
Kapitel den ständigen Beirat des Bischofs. In allen wichtigen An- 
gelegenheiten ist der Bischof teils an die Einwilligung des Kapitels 
gebunden, z. B. bei Veräußerung bischöflicher Güter, Veränderung von 
Kirchenpfründen, der sog. innovatio beneficiorum, der Auferlegung 
von rein kirchlichen Abgaben, teils reicht der Beirat (consilium) aus, 
so bei Erlaß von Diözesanstatuten, Ernennung und Absetzung von 
Geistlichen, Ausschreibung von Kollekten, Leitung von Seminaren (ev. 
genügt schon die Anhörung zweier Mitglieder des Kapitels). Bei erledigtem 
bischöflichen Stuhl (sede vacante) geht die bischöfliche Kompetenz so- 
fort über auf das Kapitel, welches nach den Vorschriften des Tridentiner 
Konzils zwei Stellvertreter zur Wahrnehmung des bischöflichen Amts 
zu wählen hat, einen Kapitelsvikar für die bischöflichen Jurisdiktions- 
rechte, mit Ausnahme der päpstlichen Reservatrechte, der Besetzung 
der Benefizien freier bischöflicher Kollation, der Innovatio beneflciorum, 
der alienatio bonorum und sodann noch einen Okonomen zur Ver- 
waltung des bischöflichen Tafelguts (mensa episcopalis). 
Jedes Kapitel hat bestimmte Amter. Derartige Amter sind die 
Dignitates d. s. Vorstände des Kollegiums, sie haben die juris- 
diktionelle Gewalt (Disziplinargewalt), solche sind Propst und Dechant, 
welche wirkliche Prälaten sind. Als weitere Amter sind noch zu nennen, 
die Personatus, d. h. dienstliche Stellungen ohne Jurisdiktion mit 
Ehrenvorrang, z. B. Kantor, Sakrista (Kirchenschatz und Bibliothek), 
Kustos für Ordnung des Gottesdienstes; ferner die Offizia, der 
Pönitentiarius (der Oberbeichtvater der Diözese) und der Theo- 
logus zur Verwaltung des bischöflichen Lehramtes, namentlich dem 
Klerus gegenüber, der Generaldogmatiker der Dibzese, auch Konzionator 
genannt. 
Dem Range nach werden unter den Mitgliedern des Kapitels 
unterschieden: Kapitulares, die vollberechtigten Mitglieder, welche eine 
Präbende, Sitz und Stimme im Kapitel haben; ferner die Domizellares, 
Juniores ohne Präbende mit Anwartschaft hierauf, an deren Stelle 
jetzt die Domvikare getreten sind, jedoch ohne Anwartschaft. Endlich 
noch Ehrendomherren, canonici honorarl, die nur Titel und Insignien 
der Domherren führen; in Preußen nehmen sie an den Rechten der 
Kapitulares teil. 
Zur Aufnahme in das Domkapitel wird erfordert: das Subdiakonat, 
die eine Hälfte muß jedoch die Fähigkeit zum Presbyteriat haben, ferner
	        
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